29. April 2014

Die feuchten Träume der ZEIT-Online Leserschaft

Als ich kürzlich wieder einmal auf ZEIT-Online nach typischen und somit hier zu kommentierenden Artikeln suchen wollte, wurde ich unerwartet schneller fündig als gedacht. Nachdem ich nämlich auf den entsprechenden Link in meinem Browser geklickt hatte, prangte zunächst einmal eine ganzseitige Werbung aus dem  Automobilbereich auf meinem Bildschirm, unter Umgehung meines Popup-Blockers übrigens (und Browsereinstellungen, die sämtlich gestellt sind auf: "bei beenden löschen"), die erst nach etlichen Sekunden wieder verschwand.
­Das war eine ziemliche Enttäuschung für mich. Schließlich hatte ich mich ja über die Fortschritte der Energiewende, über die menschenverachtenden Konsequenzen der Globalisierung, über die wachsende Kluft zwischen arm und reich sowie über die Grenzen und die Amoralität des Wachstums informieren wollen. Und jetzt das.

Aber zunächst ein kurzer Schlenker:

Bevor ein Unternehmen bzw. eine von ihm beauftragte Werbefirma eine  ganzseitige Werbung in einem bundesweit erscheinenden Print- oder Onlinemedium platziert, gehen dem gründliche Marktanalysen voraus; es geht schließlich um viel Geld. Bei diesen Analysen geht es um Fragen wie "Welchen Beruf übt der typische Kunde dieses Mediums aus?" oder "Wie hoch ist das durchschnittliche Jahreseinkommen?". "Welche Produkte hat der Kunde in der Vergangenheit gekauft?". Auch die Frage nach den politischen Präferenzen dürfte fallen. Diese Informationen werden dann zu einem Gesamtbild (hier: des typischen ZEIT-Online Lesers) integriert und eine entsprechende Produktplatzierung vorgenommen.

Aber was war es denn nun, das dort beworben wurde? War es ein Gebrauchtwagenportal oder ein alternatives car-sharing Projekt? War es die Neuauflage des erfolglosen 3-Liter-Lupo von VW? War es ein fair gehandelter indischer Tata mit Elektroantrieb?

Nö, es handelte sich um den nagelneuen Audi A6 Avant ultra. Und wie verkauft man einen solchen Schlitten dem vordergründig skrupulösen Publikum? Indem er erstens in der Farbe reinweiß, gleichsam unbefleckt, daherkommt und zweitens mit jeder Menge Effizienztechnologien wirbt, von denen vermutlich kaum jemand je etwas gehört hat, die aber gut fürs Behagen sind.

Aber zugegeben, chic ist er schon, der A6 Avant ultra; er gefällt mir. Leider kann ich ihn mir bei einem Grundpreis von 42.250,-€ beim besten Willen nicht leisten, anders offenbar als die konsumkritische Leserschaft der Energiewendepostille (Noricus).

Ich sehe hier eine große, ja eine skandalöse Gerechtigkeitslücke. Ich möchte mich mit allem Nachdruck für eine Umverteilung des Reichtums vom ZEIT-Online-Publikum hin zu mir stark machen.

Andreas Döding


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