26. Juli 2014

Danke für den gedeckten Tisch. Ein kleines Dankeschön an zwei verstorbene Brüder samt einer Bemerkung zum deutschen Neidimpuls.


Vor nicht einmal zwei Wochen ist Karl Albrecht gestorben. Er folgt damit seinem Bruder Theo, der bereits vor vier Jahren verstorben ist. Ich muss gestehen, ich habe beides zunächst nicht bemerkt, da beide ein zurückgezogenes und sehr privates Leben geführt haben. Darüber gestolpert bin ich eigentlich nur, weil ich zufälligerweise über einen, leider sehr typisch deutschen, Neidartikel bei Telepolis gestolpert bin. Doch dazu später.
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Die Brüder Albrecht sich bekanntermaßen die Gründer von Aldi („Albrecht-Discount“). Sie übernahmen nach dem Krieg das elterliche Lebensmittelgeschäft und schmiedeten daraus ein kleines Imperium, das inzwischen aus nicht ganz zehntausend (!) einzelnen Filialen besteht. Sie sind ein Beleg dafür, dass der „amerikanische Traum“ durchaus auch in Essen funktionieren kann und funktioniert hat.
Nun wäre das alleine noch eine Danksagung wert, denn auch wenn man jemanden beglückwünschen kann, reich zu werden, so hat man als einzelnen nicht automatisch etwas davon. Ich denke aber, dass die meisten von uns Aldi, und damit auch seinen Gründern, eine ganze Menge verdanken. Ich für meinen Teil tus. Wer öfter mal im (westlichen) Ausland unterwegs ist, der stellt etwas eher Überraschendes fest: In Deutschland sind die Preise verdammt niedrig. Die Preise für Lebensmittel sind sogar extrem niedrig, nahezu alle unsere, zumindest vergleichbar reichen, Nachbarn, zahlen mehr. Wem verdankt man das? Billiger Produktion? Nein. Niedrigeren Steuern? Haha. Kürzeren Lieferketten ? Auch nicht. Nein, zu verdanken ist das der deutschen Discounter-Kultur, die zwar nicht ausschließlich von Aldi abgedeckt ist, aber doch deutlich von Aldi dominiert wurde und umgesetzt worden ist. Exemplarisch konnte man das an der verheerenden Geschichte von Walmart in Deutschland sehen, die sich gezwungen sahen nach herben Verlusten 2006 das Handtuch zu werfen, da sie nicht in der Lage waren mit den einheimischen Discountern zu konkurrieren. Ich kann mich gut an ein Interview mit einem Manager von Walmart erinnern, der treffend dazu bemerkte, in Deutschland ginge es nicht um Service sondern einzig um den Preis.
Genau, es geht um den Preis. Und genau das war und ist immer noch der zentrale Ansatz von Aldi. Eine Sache so günstig zu verkaufen wie es nur irgend möglich ist. Dieses gerne von Intellektuellen als „billig“ oder „geizig“ diffamierte Motto genießt in technischen Bereichen sehr hohes Ansehen ("Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann."). Und Aldi war und ist sehr gut darin. Was habe ich als Kunde davon, dass die Ware nicht in einem Karton liegt sondern in ein schönes Regal geräumt wurde? Was habe ich davon, wenn ein Supermarkt 10 verschiedene Bolognese-Saucen führt? Was habe ich davon, dass aus der Milch Landliebe statt Milfina steht?
Umgekehrt wird dagegen der Schuh draus. Wenn ich die Frage stelle was ich davon habe, dass ich meinen Wocheneinkauf bei Aldi mache. Die Antwort ist konkreter: So um die 20-30 Euro. Wenn man das mal aufs Jahr rechnet oder wie ich, eher auf 15 Jahre, dann kann man sich überlegen, was man Aldi so verdankt. In meinem Falle reichts locker für einen Kleinwagen.
Insofern bleibt mir zu den Aldi-Brüdern zu sagen: Sie haben meinen Tisch gefüllt. Und nicht nur einmal. So erstaunlich sich das zunächst anhört: Aldi ist ein Stück Lebensqualität. Es ist die Lebensqualität eine Woche mit der Familie für deutlich weniger als 100 Euro essen und trinken zu können, ohne dabei allzu sehr auf Nudeln oder Reis zugreifen zu müssen. Und dafür kann man auch einmal deutlich danke sagen.
Nun habe ich eingangs noch eine Ankündigung zum deutschen Neid gemacht. Was thematisch gar nicht so ganz reinpasst, aber trotzdem irgendwie auch ein bisschen dazu gehört: Es ist erstaunlich wie bezeichnend was man den Aldi-Brüder vorwirft. An direkten „Skandalen“ hat man nicht viel anzubieten, denn Aldi bezahlt seine Kräfte deutlich besser als der Branchendurchschnitt, die Qualität ist durchweg gut, die Lebensmittel nicht fragwürdig, ja selbst am Auftreten der Aldi-Gründer ist wenig zu bemängeln, weil sie öffentlich gar nicht mehr aufgetreten sind. Da bleibt nicht mehr viel. Also greift man auf ominösen Blödsinn zurück, dass es bei Aldi keinen Gesamtbetriebsrat gibt, dass die Gründer ihre Vermögen in Stiftungen eingebracht haben, statt das Geld dem Erbschaftsfiskus in den Rachen zu werfen, das man nicht transparent genug sei und all solcher Humbug. Nichts davon ist illegal, aber dem deutschen Intellektuellen geht es weniger darum was legal ist, als das sich jemand nach den Regeln der deutschen Wirtschafts-political-correctness verhält. Und da wäre es ja wenigstens angebracht gewesen, dass die Aldi-Brüder ihr Geschäft an den deutschen Staat abgetreten hätten. Aus der Perspektive wird auch klar was das eigentlich kritische an den Albrecht Brüdern war: Das sie reich sind, bzw. waren. Reich ist falsch. Dabei kommt es nicht darauf an, wie vielen Leuten dieser Reichtum mal genützt hat, wie hart er erarbeitet wurde oder ob er mal verdient wurde: Reich ist falsch.
Dabei kann man ruhig einmal die Frage stellen, was Leute wie Herr Berger nun eigentlich zum Leben anderer Menschen beigesteuert haben. Ich meine, mal ab von Büchern die nur so vor Neid triefen ?
Ich denke die Albrechts haben viel für dieses Land getan. Es ist schade, dass die allermeisten, die jede Woche davon profitieren, je auch nur darüber nachgedacht haben, dass es einen Grund hat, warum sie sich das eine oder andere Extra leisten können, dass viele andere eben nicht haben. Den Bundesverdienstkeks heftet die Politik mit viel Freude jedes Jahr tausendfach irgendwelchen Leuten an (inzwischen mit Quote, ja hallamarsch). Karl Albrecht hat diesen wohl nicht angenommen. Auch das ist bezeichnend.

Ich habe mir diese Gedanken gemacht. Und deshalb sage ich es noch einmal. Danke. Und mögen sie in Frieden ruhen.
Llarian


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