5. August 2015

Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit.

 „Es entbindet Journalisten nicht von der Einhaltung der Gesetze“.
 
                                               --- Harald Range, 2015

Einen schönen Satz hat Herr Range da getan. Der Journalist ist nicht von der Einhaltung der Gesetze entbunden. So trivial wie richtig. Und dennoch ein Satz der ganz hervorragend in das Rechtsverständnis lupenreiner Demokratien unserer Tage passt, wie man sie am Bosporus oder in Vorderasien finden kann. 

Journalisten haben in der Vergangenheit schon oft Geheimnisse veröffentlicht, etliche dieser Veröffentlichungen haben verheerende Folgen gehabt, für Regierungen, für Firmen, für Gesellschaften, für internationale Bündnisse. Man denke an die Veröffentlichungen zum Thema Edward Snowden in der New York Times, dem Spiegel und dem Guardian, die berühmte Geschichte von Watergate oder auch ganz simpel an die Spiegel Affäre. Natürlich war jede einzelne dieser Veröffentlichungen in diesem Sinne schwer verboten. Und dennoch hat es seit der Spiegel Affäre in Deutschland niemand mehr gewagt ein Verfahren wegen Landesverrates gegen einen Pressevertreter in Gang zu setzen. Bis heute muss man sagen. Bis Herr Range im Auftrag des Präsidenten des Verfassungsschutzes ein solches Verfahren in Gang gesetzt hat. Man darf sich schon fragen welches unglaubliche Geheimnis, welch verheerendes Wissen, welch unheimlich schützenswerte Information es denn gewesen ist, die nun nach mehr als 50 Jahren (!) dazu geführt haben mag, eben diesen Mechanismus in Gang zu setzen.
Nun, es war die Information das der Verfassungsschutz in Zukunft dem großen Vorbild (?) NSA nacheifern möchte und sich Gedanken macht, wie man das Internet (vulgo den Bürger) etwas besser ausspionieren kann. Das ist natürlich wahrlich eine Information von staatstragender Wichtigkeit. Und man darf die Frage stellen, ob diese Information wirklich geeignet ist der Bundesrepublik als solcher einen nachhaltigen Schaden zuzufügen. Landesverrat, nicht Geheimnisverrat, das sei betont. 
Erlauben Sie mir, lieber Leser, ein paar Thesen dazu zu formulieren: 
1.   Man kann diese Information tatsächlich für verheerend halten. Vor allem dann, wenn man aus der Republik einen Polizeistaat machen möchte und verhindern will, das der Bürger etwas davon erfährt. Nicht nur das ich das Ansinnen des Verfassungsschutzes eine Totalüberwachung im Sinne der NSA in Deutschland umzusetzen erschreckend finde, so würde ich es gerade für eine journalistische Pflicht (!) halten, eine solche Information zu veröffentlichen, so sie einem zur Verfügung steht. Wenn der Verfassungsschutz eine solche Maßnahme für notwendig hält, weil er sonst seine Aufgabe nicht wahrnehmen kann, dann gehört das öffentlich diskutiert und es wäre die Aufgabe des Verfassungsschutzes gewesen eine solche, öffentliche Diskussion anzustoßen. Sucht ein Geheimdienst eine solche Diskussion zu unterbinden, so ist es die Pflicht einer angeblich vierten Gewalt genau diese Diskussion zu führen. Dabei geht es gerade nicht um den Text des Gesetzes gegen Landesverrat, hinter einem solchen kann man die größte Schweinerei verbergen. Es geht genau um den Inhalt.

2.   Ebenso muss man sich wundern, dass ausgerechnet eine Institution, deren vornehme Aufgabe es ist die Verfassung (!) zu schützen, überhaupt kein Problem damit hat auf selbiger ein bischen herum zu trampeln. Die Verfassung ist vor allem eine Sammlung von Abwehrrechten des Bürgers gegen den Staat. Und der Präsident einer Behörde deren hoheitliche Aufgabe der Schutz dieser Abwehrrechte ist, macht sich gar keine Gedanken um den Inhalt dieser Abwehrrechte sondern beruft sich selber auf Gesetze, die den Staat vor dem Einzelnen beschützen sollen? Das kann man zumindest ziemlich anrüchig finden. Und man sollte meinen dass wenigstens das Konzept der Verhältnismäßigkeit beim Verfassungsschutz bekannt sein müsste, wenn man sieht mit was für Kanonen da gefeuert wird.

3.   Erschreckend ebenso was derzeit so diverse Hinterbänkler der CDU von sich geben. Bevor die offizielle Leitlinie von Frau Merkel ausgegeben wurde, war da sehr viel Verständnis für den armen Herrn Range und Herrn Maaßen zu finden. Und auch das eine oder andere höhnische Wort zu der Frage ob so komische Blogger (was war das noch gleich?) überhaupt Journalisten sind. Inzwischen hat sich der Wind so ein bisschen gedreht und inzwischen ist man dazu übergegangen nur die Rücktrittsforderungen als überzogen zu bezeichnen, aber vor einigen Tagen klang das noch ganz anders. Ich frage mich an der Stelle was wohl passieren würde, wenn die CDU, was ja durchaus im Bereich des Möglichen liegt, tatsächlich bei der nächsten Bundestagswahl eine absolute Mehrheit zustande bringt. Gilt dann „Augen zu und durch“?

4.   Am Rande vielleicht noch etwas, auf das Don Alphonso in seinem Blog hingewiesen hat: Die Ermittlungen wegen Landesverrates ermöglichen Zugriff auf die schönen Vorratsdaten auf die unser Justizminister ja inzwischen auch sehr viel Wert legt. Wer addiert hier zwei und zwei zusammen? Wenn Informanten damit rechnen müssen, dass per Vorratsdatenspeicherung gegen sie ermittelt wird, wer wird dann noch wagen etwas an die Presse zu lancieren? Das ganze Konzept des Whistleblowings ist damit vollkommen ad absurdum geführt. Wollen wir in Zukunft das Schweinereien, wie die Totalüberwachung durch die NSA, in Zukunft in Deutschland totzuschweigen sind, weil ein jeder, der darüber spricht sich der Bedrohung durch eine lebenslange Haftstrafe aussetzt?

5.   In was für eine Richtung soll unsere Republik gehen, wenn der Generalbundesanwalt, der höchste Ankläger der Republik, nicht einmal einen Anfangsverdacht sehen will, wenn in Deutschland die NSA nahezu alles was Rang und Namen hat nach Strich und Faden ausspioniert hat, aber gleichzeitig ein Verfahren wegen Landesverrates gegen Journalisten anstrebt, die es wagen solche Methoden (die ja gar nicht existieren….) in Frage zu stellen ?

6. Ob ein Range oder ein Maaßen jetzt zurücktritt (oder schon rausgeworfen worden ist), weil es politisch gerade opportun ist, interessiert mich eigentlich nicht. Am Ende tun beide nur das, was ihre Dienstherren von ihnen verlangen und sie auszutauschen würde kaum etwas an dem ändern, was dort vorgeht. Aber es ist allerhöchste Zeit, dass wir diskutieren, was wir einem Geheimdienst gestatten wollen und welche Rechte wir dem Staat (!) gegenüber seinem Bürger einräumen wollen, denn das ist es, worum es am Ende geht.
Der Bundesanwalt findet die politische Einflussnahme derzeit unerträglich. Ich finde den Mangel an Einflussnahme auf das, was er meint veranstalten zu können deutlich unerträglicher. Der Mann arbeitet für uns. Nicht für eine Regierung, nicht für einen Minister, sondern für uns. Und wenn er etwas tut, was durch die Reihen der Bürger als abwegig bis dumm betrachtet wird (man lese nur die diversen Kommentarspalten öffentlicher Zeitungen), dann darf der Mann sich schon fragen, wessen Büttel er sein will.

Nachtrag: Jetzt ist in unserem schönen, kleinen Zimmer schon –zurecht- angemerkt worden, dass wir in einem Rechtsstaat leben und in einem solchen auch Ermittlungen zulässig sein müssen, da diese ja auch im Sande verlaufen können. Ist natürlich richtig. Aber auch Ermittlungen produzieren Schaden. Denn wenn es kein Schaden ist, können Sie sich vorstellen, lieber Leser, das gegen Sie wegen eines Vergehens ermittelt wird, das strafrechtlich mit der Strafe wie Mord geahndet werden kann? Würde Sie das kalt lassen? Ermittlungen sind eben nicht wertneutral, und der Herr Verfassungsschutzpräsident weiß nur zu gut, dass eine Verurteilung unwahrscheinlich ist. Alleine die Ermittlung dagegen ist extrem wirksam. Und das ist sicher nicht im Sinne eines verfassten Rechtsstaates. Polizeistaaten sind auch Rechtsstaaten, das sollte man nie ganz aus den Augen verlieren. Ich bin ein glühender Anhänger des verfassten Rechtsstaates, weil nur der Rechtsstaat die Rechte des Einzelnen durchsetzen kann. Wenn er das nicht tut, dann ist er vielleicht immer noch ein Rechtsstaat, aber ein ziemlich fragwürdiger. Oder simpel gesagt: Der Rechtsstaat ist das Werkzeug, kein Selbstzweck.

Llarian


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