24. März 2016

Aus der Schwalbenperspektive: 4-3-3

Heaven has a new playmaker. 
Der Himmel hat einen neuen Spielmacher.
Toni Kroos auf Twitter

Die Sporthistorie neigt dazu, bei den jeweils Besten einer Disziplin immer drei Personen zu nennen - entsprechend der olympischen Medaillen. Und wenn man nach den drei besten Fußballern fragt, werden in den meisten Fällen die Namen Pélé, Beckenbauer, Maradona genannt. Aber der aus meiner Sicht prägendste Fußballer aller Zeiten war ein anderer. Ein schmächtiger, kettenrauchender, arroganter und stets angriffslustiger junger Mann, der aus einfachen Verhältnissen im Amsterdamer Stadtviertel mit dem poetischen Namen Betondorp stammt, fußläufig von der damaligen Heimspielstätte des Hauptstadtvereins Ajax. 
Der war, wie der gesamte niederländische Fußball, seit Jahren in der Mittelmäßigkeit versunken, bis ein 1965 genialer Trainer namens Rinus Michels das Konzept des totaalvoetbal einführte, Er hatte es nicht erfunden, sondern von seinem Vorgänger Jack Reynolds gelernt. Aber um es zum Erfolg zu bringen, brauchte er einen ebenso genialen Kopf, der es auf dem Feld umsetzte. 

Michels gab Cruyff freie Hand, sowohl auf dem Platz als auch außerhalb. Und weil die Gegner zur damaligen Zeit mehr oder weniger Standfußball spielten, hatten sie dem gnadenlos offensiven 4-3-3-System wenig entgegenzusetzen. Nicht bei Ajax, und auch nicht bei Barça, wo Michels und Cruyff ab 1972 die erste niederländisch-katalonische Erfolgsgeschichte einläuteten, und zunächst auch nicht in der niederländischen Nationalmannschaft. Die beiden totaalvoetballer konnten sich nur selber schlagen, und das taten sie dann auch - in einem denkwürdigen Spiel in München, das eine jahrzehntelange Feindschaft begründen sollte. Cruyff hatte es mit einem kleinen blonden Manndecker vom Niederrhein zu tun, der in jeglicher Hinsicht das Gegenteil von ihm war - de Verlosser (der Erlöser) trifft auf den Terrier. Das Ergebnis ist bekannt, wie auch die anschließende Finalniederlage 1978 - ohne Cruyff, aber wiederum gegen den Gastgeber mit seinem One-Hit-Wonder Mario Kempes.

Die Nummer 14 war - als Spieler wie als Trainer - eine der Figuren, die den Fußball zu dem machen was er ist. Genie und Wahnsinn - Höhenflüge und Abstürze in einem. Er lebte 4-3-3, und seine persönlichen Scharmützel sind ebenso legendär wie seine Tore - von der berühmten Hacke bis zu seinem Elfmetertrick. Louis van Gaal, Jan van Beveren und zahlreiche spanische und niederländische Fußballfunktionäre, die mit ihm zusammengeprallt sind, können ein Lied davon singen. Aber er war auch ein Mann mit eisernen Prinzipien, der z.B. ein Angebot des Franco-Clubs Real ausschlug, obwohl die Erfolgschancen dort besser waren.

Sein Einfluss auf den Fußball währt bis heute. Das Tiki-Taka, die prägende Spielweise der 2000er, sowie der spielende Torhüter gehen auf Cruyff zurück. Beides hat sich über seinen Schüler Guardiola wie auch über seinen Rivalen van Gaal (der ihm bei Ajax und Barça nachfolgte und sehr von ihm beeinflusst war) bis zu den Bayern und damit in die deutsche Weltmeistermannschaft von 2014 verbreitet. Man kann also mit gutem Recht sagen, Deutschland hat Cruyff indirekt zwei Weltmeistertitel zu verdanken - einen wegen seines Wahnsinns und einen wegen seines Genies.

Hendrik Johannes Cruyff ist heute im Alter von 68 Jahren in Barçelona an Lungenkrebs gestorben.


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Meister Petz

© Meister Petz. Titelvignette: Johan Cruyff in trainingspak Nederlands Elftal. Lizenziert vom Nationaal Archief unter CC BY-SA 3.0 NL. Für Kommentare bitte hier klicken.