24. März 2016

Der Terror von Brüssel und was wir von Israel lernen könnten

Vier Monate nach den Anschlägen von Paris wurde erneut eine europäische Metropole Ziel islamistisch motivierter Anschläge. Wenn ich die Berichterstattung zu diesen beiden Ereignissen vergleiche, fällt mir zweierlei auf. Zum einen ist bereits ein erster Gewöhnungseffekt zu erkennen. Sowohl in den Medien als auch in den sozialen Netzwerken gab es diesmal kaum ein Moment der Fassungslosigkeit, des Erschreckens oder gar des Innehaltens. Zum anderen, wohl damit zusammenhängend, haben viele sofort begonnen, ihren politischen Honig aus dem Terror zu ziehen. Während eine Junge Grüne in einem Tweet sofort ihre Angst vor "rechtspopulistischer Hetze" kommuniziert hat, beeilte sich Beatrix von Storch (AfD) polemisch zu betonen, daß der Anschlag  "nix mit nix zu tun" habe, ein zynisches "Viele Grüße aus Brüssel" vorangestellt. Beide aber haben kein einziges Wort über die Opfer der Terroristen verloren, was mir symptomatisch erscheint. Unter Gewöhnung muß man hier wohl verstehen, daß man sich nicht einmal mehr einen einzigen Tag lang, idealerweise schweigend, hinter den Opfern solcher Anschläge versammeln kann.
Gleichwohl. Ich denke nicht, daß ich mich des Pessimismus verdächtig mache wenn ich vermute, daß ein Anschlag dieser Größenordnung auf deutschem Boden lediglich eine Frage der Zeit ist. Gegenwärtig träfe ein solcher Anschlag auf eine deutlich aufgeheizte, ja in großen Teilen polarisierte Stimmung im  Land und auf die Tatsache, daß sich mehr als eine Million Flüchtlinge und Neuzuwanderer hier aufhalten. Man mag sich gar nicht ausmalen, was folgen könnte, wenn es hier demnächst richtig "knallt". Bis hin zu echten Pogromen gegen Ausländer erscheint mir vieles möglich. Wie also mit der Terrorgefahr umgehen? Möglicherweise kann hier der Blick nach Israel helfen. Ich glaube, man kann hier zwei Dinge lernen. 

Einerseits natürlich das beherzte bekämpfen von Terror durch die Sicherheitsbehörden. Daß man mit Terroristen nicht verhandelt und daß man das insbesondere in Europa beliebte Spiel, Täter zu Opfern zu machen (und umgekehrt) nicht mitspielt. Schließlich auch, daß Terrorbekämpfung selbstverständlich nicht mit offenen Grenzen funktioniert. Man stelle sich einmal das Merkelsche "Glaubt jemand ernsthaft, wir könnten unsere Grenzen selbst sichern?" aus dem Munde eines Benjamin Netanjahu vor. Eine solche Politik besiegelte vermutlich binnen Wochenfrist das Schicksal des Staates Israel bzw. in der Realität besiegelte eine solche Äußerung wohl binnen Tagesfrist das politische Schicksal des Ministerpräsidenten. So oder so eine absurde Vorstellung, was eine solche Politik in Deutschland jedoch nicht weniger absurd erscheinen läßt. Ohne Grenzsicherung kann langfristig keine wirksame  Terrorbekämpfung gelingen, wobei es tatsächlich zweitrangig ist, ob eine wirksame Grenzsicherung an den EU-Außengrenzen erfolgt oder national.


Man kann jedoch noch etwas anderes von Israel lernen, und das haben die Israelfahnen-Schwenker auf den Pegida-Demonstrationen sicherlich nicht im Sinn. Ich bin mir nicht sicher, ob es mit dem Begriff der Gelassenheit richtig beschrieben ist oder ob es eher eine Art Trotz ist und der Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen. Jedenfalls haben der Terror und die arabischen Angriffskriege gegen Israel seit 1948 weder die rechtsstaatlichen und demokratischen Strukturen zerstört noch die Bürger nachhaltig in Angst und Schrecken versetzt. In Tel Aviv feiern tausende Schwule und Lesben, obwohl dieses Land buchstäblich umgeben von Haß und Vernichtungswillen ist, und das bei einem Bevölkerungsanteil arabischer Muslime von knapp 20 Prozent. So geht, nebenbei bemerkt, Multikulturalismus! Mir scheint, daß die Israelis, und damit meine ich die Bevölkerung in ihrer Mehrheit, eine Haltung zur Terrorgefahr entwickelt hat, die dem Anschein nach stoische Elemente enthält: alles tun, was in der eigenen Macht steht, um den Terror zu bekämpfen, aber mit dem Restrisiko am Ende das Tages dann halt leben. Anders gesagt: die Israelis lassen sich, im doppelten Sinne, nicht terrorisieren.


Allerdings können die Israelis auch weitgehend darauf vertrauen, daß ihr Staat und seine Sicherheitsbehörden wirklich alles vertretbare tut, um die Bürger und ihre Freiheitsrechte zu schützen, womit der Ball wieder im Spielfeld unserer Regierung wäre. 


Wenn nun Innenminister Thomas de Maizière, wie jetzt in den Tagesthemen, sagt:  

"Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten und darüber hinaus – und wir sind in Krisenzeiten! – hat die Sicherheit Vorrang." 
und Justizminister Heiko Maas vor allem betont, daß es sich bei den Brüsseler Attentätern "nicht um Flüchtlinge" gehandelt habe, dann dokumentiert dies ein erratisches und konzeptloses Agieren der Bundesregierung wie man es inzwischen zwar kennt, das in der gegenwärtigen Situation jedoch brandgefährlich ist. Was, so möchte man Herrn Maas fragen, wäre denn gewesen, wenn es sich um Flüchtlinge gehandelt hätte? Wie soll man ihn an solchen Worten messen, wenn Terroristen tatsächlich über die Flüchtlingsrouten ins Land gesickert sind? Ließe er  Facebook erstmal für ein paar Tage komplett sperren, um Haßkommentaren vorzubeugen? Und wie stellt sich der Innenminister bürgerliche Freiheitsrechte vor, wenn man den Datenschutz mal so eben, en passent, in Frage stellt? Wie schafft es wohl Israel, ein Datenschutzniveau aufrecht zu erhalten, das sogar vom EU-Datenschutzbeauftragten für angemessen befunden wird?

Wenn der deutschen Regierung als Reaktion auf die Terrorgefahr (und bereits vor einem erwartbaren Anschlag) nichts anderes als die Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte einfällt, dann ist dies nicht geeignet, das Vertrauen der Bürger in ihren Staat zu erhöhen und läßt übles für die Zeit nach einem solchen Anschlag erahnen. So muß man sich dann auch nicht wundern, wenn nach einem Terrorangriff auf deutschem Boden die Stimmung im Land endgültig ins hysterisch-gefährliche kippt und von einer israelischen "Haltung" bei den Menschen weit und breit nichts zu sehen sein wird. 


Dennoch ist Kritik an der Regierung hier nur ein Teil. Der andere Teil liegt letztlich bei jedem einzelnen, sich von der realen Terrorgefahr, der miesen Stimmung im Land und einer meist dilettierenden Regierung nicht völlig bekloppt machen zu lassen:
Lernen wir von Israel!


Andreas Döding


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