1. März 2016

Hauptsache Augenwischerei. Möglichst erbarmungswürdig.


Nein, es sollte an dieser Stelle nicht (schon wieder) um Flüchtlinge gehen. Und doch tut es das natürlich wieder (mea culpa), wenn auch nicht nur, wobei das eigentliche Problem in diesem Fall ein bischen anders liegt:

Die Politik hat inzwischen auch begriffen (lang hats gedauert), dass die ganze Flüchtlingsgeschichte eben doch nicht mal so nebenher gemacht werden kann, und doch eine ganze Stange Geld kostet. 
Böse Zungen, vor allem aus Wirtschaftsforschung (hallo ifo, hallo Herr Raffelhüschen) und bösen Parteien (hallo AfD) haben das schon im letzten Jahr ausgerufen, aber inzwischen hat man es auch in Berlin begriffen. Nun ist man leider in der vielleicht nicht ganz so wünschenswerten Situation, dass man ja seit Monaten erklärt hatte, das werde sich schon alles selber tragen, die Flüchtlinge seien super qualifiziert und eigentlich müssten schon im nächsten Jahr (das wäre dann dieses Jahr) die Steuereinnahmen nur so sprudeln, angesichts des Booms der deutschen Wirtschaft und der ganzen Nachfrage, die dann plötzlich kommt. Irgendwie war das nicht ganz richtig und jetzt muss jemand die Sause auch bezahlen. 
Sigmar Gabriel, in seiner unnachahmlichen Art als elephantöser Vortänzer, hat dann auch gleich darauf hingewiesen, dass der deutsche Staat (das erste mal seit Jahrzehnten) derzeit keine neuen Schulden mehr produziert hat und tatsächlich auch mal die eine oder andere Milliarde mehr eingenommen hat, als er ausgegeben hat. Und wie immer wenn Geld da ist, fällt dem gemeinen Sozialdemokraten nicht irgendwie die Idee ein das Geld vielleicht erst einmal zurückzulegen (von der Idee die Maastricht Kriterien vielleicht einzuhalten, gar nicht erst angefangen), sondern es muss ausgegeben werden. Alte Zeitgenossen werden sich vielleicht noch an Franz Josef Strauss erinnern und die Idee, dass ein Hund einen Wurstvorrat anlegen könnte.
Sei dem wie es will, in diesem Fall hat Gabriel erst einmal recht. Die Kosten müssen so oder so aufgebracht werden, die Flüchtlinge sind da, und wenn der Finanzminister das Geld hat, so muss es auch dafür ausgegeben werden. NUR: Irgendwie ist Herr Gabriel auf die Idee gekommen, dass das sozialen Unfrieden stiften könnte. Also will er gleichzeitig ein Sozialprogramm für die "eigene Bevölkerung" (wer immer das auch gerade ist). Wie finanzieren ? Na, wie schon: Schulden natürlich. Alles andere, das haben inzwischen in nahezu identische Wortwahl mehrere SPD-Politiker verkündet, sei erbarmungswürdig. Dazu sind gleich mehrere Sachen zu sagen:
Zum einen, es scheint so, als hätte auch die Politik langsam bemerkt, dass die Stimmung im Lande gekippt ist. Der Verteilungskampf ist längst im Gange und geradezu panisch versucht die Politik, in diesem Falle durch die SPD, den Geist wieder in die Flasche zu bekommen. Im Zweifelsfall sollen diejenigen, die es zuerst trifft, mit Geld geködert werden, damit sie nicht noch ihr Kreuz bei der falschen Partei machen. Ich glaube nicht, dass diese Strategie verfängt, denn so viel Geld kann die Politik gar nicht verteilen. Zum einen wären sehr viele Milliarden notwendig, um wirklich eine echte Wirkung bei einer großen Menschenanzahl zu bewirken, zum anderen ist es auch ein Kampf gegen einen unwirklichen Gegner: Wer sich vorher von der Politik belogen fühlte (und die Lügen sind inzwischen sehr offensichtlich geworden), der wird ihr nicht morgen glauben, sondern er wird denen glauben, die vorher Recht hatten. Simpel gesagt: Wenn die AfD verkündet, dass es den Flüchtlingen obertoll geht, dann glauben diese Menschen das, vollkommen egal ob es stimmt oder nicht. Und die AfD ist das harmlose Beispiel. In einer solchen Situation hat irgendwann selbst ein NPD Stadtrat mehr Glaubwürdigkeit als ein Vizekanzler. Und damit kann der NPD Mann erzählen was er will.
Zum zweiten, ich finde es tatsächlich "erbarmungswürdig" mit welcher Selbstverständlichkeit die Politik ein Problem zu kaschieren sucht, und dabei die Kosten an eine junge Generation weiterreichen will, die ohnehin von den Lasten bald erdrückt wird. Im Zweifelsfall mehr Schulden, tolle Idee. Dabei geht es nicht einmal darum ein notwendiges Sozialprogramm aufzulegen (wäre das in dem Sinne notwendig, dann wäre man damit auch schon vor der Flüchtlingskrise gekommen). Es geht immer noch darum zu verschleiern was die ganze Party kostet.
Man will um Himmels willen vermeiden, dass man ehrlich darüber spricht was das "Wir schaffen das" kostet und wer welche Folgen spüren wird. Niedersachsens Ministerpräsident Weil (auch SPD) glänzte dabei mit der folgenden Aussage: "Wir dürfen nicht den Eindruck aufkommen lassen, dies geschehe zu Lasten der Schwächeren in unserer Gesellschaft“. Unglaulich verlogen. Denn natürlich passiert das. Es ist trivial, dass das passiert. Das ist kein Eindruck, das ist Realität. Wer sind denn die Schwächsten unserer Gesellschaft ? Vielleicht diejenigen, die heute schon auf Tafeln angewiesen sind, und sich jetzt mit einer (nicht gerade kleinen) weiteren Gruppe konfrontiert sehen? Oder vielleicht diejenigen, die keine oder kaum eine Qualifikation haben und sich demnächst einem gewaltigen neuen Wettbewerb gegenüber sehen? Oder vielleicht die vergleichsweise armen Rentner (auch die gibts), die nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten oder die Mobilität haben ihr Stadtviertel zu verlassen (Stichwort Maghreb-Viertel)? Es sind selbstredend die Schwächsten, die es zuerst trifft, das ist eine Trivialweisheit. Wer stark ist, kann sich am Ehesten wehren. Wer stark ist, kann eventuell in einen Vorort ziehen, um steigender Kriminalität auszuweichen. Wer stark ist, ist in seiner wirtschaftlichen Grundlage nicht bedroht. Wer stark ist, braucht keine Tafeln. Wer stark ist, kann seine Kinder auf Privatschulen schicken. Und. Und. Und. Die Starken sind trivialerweise die, die es zuletzt trifft.

Wie eingangs erwähnt, es geht nicht prinzipiell um die Flüchtlinge. Wenn das Land eine demokratische Entscheidung getroffen hat (wie auch den Energieunsinn), dann muss man erstmal damit leben. Wir haben Wahlen um das zu entscheiden. Aber diese Augenwischerei, die finde ich richtig abstossend. Als ob man den Michel darüber täuschen muss, was etwas kostet, weil er nicht mündig ist zu verstehen, dass etwas trotzdem getan werden sollte oder muss. Es ist diese Form von Bürgerverachtung, die ich normalerweise eher mit den Grünen assoziiere, die hier die Runde macht. Verdammt nochmal, natürlich kostet das Geld. Und natürlich hat es Opfer.Und diese für dumm zu verkaufen setzt dem Ganzen nur die Krone auf.

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Llarian


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