24. März 2016

Heute Augstein – Meinung ohne Zweifel und im Zweifel meine Meinung


Mattscheibe Offline - Im Zweifel Nachdenken


Ach ja, die AfD und die Flüchtlingskrise. Gibt es noch Menschen wie mich, die auch gerne wieder einmal etwas anderes lesen möchten? Da macht Herr Augstein aber nicht mit. Gerade jetzt, wo nach dem dreisten Griff der AfD Richtung Macht die Lage langsam kritisch wird, bleibt dem guten Jakob nichts weiter übrig, als auch diese Woche wieder den Kampf gegen dumpfen Populismus fortzusetzen.
­
Doch was ist das? Gleich am Anfang stolpert man über ein gänzlich ungewohntes Wort: „ebenso wie die Migranten ist ja auch die AfD da, um zu bleiben. Anders als bei den Migranten sind aber bei der AfD Zweifel erlaubt, ob sie sich in das politische System der Bundesrepublik Deutschland überhaupt einfügen sollte.“ Zweifel sind erlaubt? Bei Augstein? Ich bin offen gestanden etwas verzweifelt. Meiner inneren Kompassnadel fehlt plötzlich das Magnetfeld. Während er noch gewohnt klar feststellt, dass Migranten per se in Deutschland willkommen zu sein haben, hat er bei der AfD nur Zweifel, dass sie das eben nicht sein könnte.

Wo bleibt die Klarheit des Urteils? Zeigen die Wahlsiege der AfD bei Augstein schon Wirkungstreffer, die das Urteilsvermögen trüben? Lese ich in dieser Aussage etwa wirklich, dass die AfD in unserer Gesellschaft womöglich ein Zuhause finden könnte? Liegt hier ein Rechtsruck vor? Hat sich die Hetze inzwischen bis zur linken Kolumnistik durchgefressen? Vor ein paar Wochen wären da keine Zweifel gewesen. Da stand noch fest, dass die „Gott sei bei uns“ AfD mit der Reichsacht zu belegen sei. Und nun liest man sowas.

Wohin eine Machtergreifung der AfD zu führen droht, schreibt Herr Augstein immerhin gewohnt klar im Weiteren seines Beitrags. Es liest sich wie eine Apokalypse. Die Bundesrepublik könnte wieder zurück in gesellschaftliche Zustände katapultiert werden, wie man sie noch aus den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kennt.

Gegen Ende seines Artikels allerdings findet Augstein zur gewohnten mentalen Stärke zurück und beginnt den Zweifel nieder zu ringen. Wo, fragt er, liege der Fortschritt für die Demokratie, wenn 400.000 Menschen nicht seiner Meinung sind und das plötzlich auch noch öffentlich und bei Wahlen Kund tun? Ich atme auf. Die innere Kompassnadel findet langsam Richtung und zeigt wieder nach Norden, als Herr Augstein feststellt: Natürlich ist vom Ergebnis einer allgemeinen Wahl abhängig, ob das Ergebnis dieser Wahl auch zu respektieren sei.

Und endlich legt sich mein temporäres Nervenflattern, als ich im Schlußabsatz eines dieser Glanzstücke bestechender Augsteinscher Logik finde:
Die Tatsache, dass einzelne Wähler Idioten sind, verhindert nicht, dass alle zusammen idiotische Entscheidungen treffen, weil partielle Idiotie in der Summe nicht zu Vernunft mutiert und Unvernunft in Masse schlimmer ist, als wenn sie einzeln auftritt. Deswegen darf auch mit der AfD nicht koaliert werden. -- Das erscheint mir eingängig. Alle Zweifel sind beseitigt, die AfD ist mit der Reichsacht zu belegen.

Auch wenn ein paar Schwindelgefühle von der Achterbahnfahrt der Orientierungslosigkeit zurückbleiben, wird mir langsam wieder besser.



nachdenken_schmerzt_nicht


© nachdenken_schmerzt_nicht. Für Kommentare bitte hier klicken.