16. März 2016

Hinweis auf ein Interview


Jetzt, zwei Tage nach dem Ergebnis der drei Landtagswahlen des "Supersonntags", nachdem sich die Ungewißheit um den Wahlausgang gelegt hat, die Schockstarre darüber bei den "etablierten" Altparteien noch keiner nüchternen Bilanz gewichen ist, sondern sie gegen jede prozentuale Evidenz als strahlender Sieger gekürt worden sind (und wenn nicht sie, dann auf jeden Fall die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel) - Verhaltensforscher sprechen bei solchen Verhaltensmustern von "Übersprungshandlungen," wenn etwa eine von der Schlange gebissene Maus den nüchtern betrachtet eher suboptimalen Verlauf der jüngsten Vergangenheit ignoriert und damit beginnt, sich obsessiv der eigenen Fellpflege zu widmen - empfiehlt sich vielleicht der Hinweis auf ein Interview, das der deutsch-libanesische Fernsehjournalist und Drehbuchautor Imad Karim mit der Bundesspecherin der Alternative für Deutschland, Frau Dr. Petry Anfang Februar dieses Jahres in Dresden geführt hat.

Henryk M. Broder hat am Sonntag auf der Achse des Guten bereits darauf aufmerksam gemacht ('Wer hat Angst vor Frauke Petry?'). Da es nicht unwahrscheinlich ist, daß der Fingerzeig in der Hektik des medialen Dauerfeuers und der Stakkatoverlautbarungen des Wahlabends untergegangen ist, sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf verwiesen.

Hier können Sie das am 09. März am YouTube eingestellte, knapp vierzig Minuten lange Interview sehen.


Zwei Dinge fallen dem Betrachter, der sich darauf einlässt (und angesichts des Stils, in dem es gehalten ist, darf man durchaus sagen: der sich das Vergnügen gönnt) sofort ins Auge: zum einen, daß dieses Video nur als YouTube-Video das Licht der Welt erblickt hat, sich also kein Fernsehsender, ob nun privat oder aus dem Pool der Öffentlich-Rechtlichen, gefunden hat, eine solche entspannte, unaufgeregte Dreiviertelstunde seinen Zuschauern zuzumuten. (Angesichts des Berufs und des Werdegangs des Interviewers als freier Fernsehschaffender darf wohl vermutet werden, daß die Aufnahme wohl dem einen oder anderen größeren und nominell um die Information der Wahlbürger geneigten Sender, wie etwa Phönix, angeboten worden ist.)

Das andere ist die schon erwähnte Unaufgeregtheit und der Respekt, mit der die beiden Interviewpartner einander begegnen: das konzentrierte Gespräch, das Einander-Ausreden-Lassen, die Abwesenheit von jedem Zwang, das Gegenüber in eine rhetorische Falle zu locken, zu "demaskieren" und zu decouvrieren: das zeugt von einer fast altväterlich zu nennenden Diskurs- und Diskussionskultur, die in der heutigen Medienlandschaft wie aus einer anderen Welt gefallen scheint. Die Kommentare unter dem YouTube-Video legen jedenfalls diesen Schluß nahe. Der Schreiber dieser Zeilen kann sich hier kein Urteil erlauben, weil er seit mehr als zwei Jahrzehnten aus der televisionären Rezeption politischer Debatten in diesem Land, oder was dafür gilt, konsequent verweigert. Der Grund war nicht zuletzt das sich schon damals abzeichnende Einreißen eines aggressiven, verbissenen Wiederholens von Schlagworten, des Über-den-Mund-Fahrens und einer in allen Sendungen spürbaren latenten Aggressivität, deren erstes Opfer die Nerven des Zuschauers und deren letztes jeglicher verbliebene Informationsgehalt war.

Auch wenn man die AfD nicht mag, wenn man ihr skeptisch gegenübersteht (ein Vorbehalt, der so verständlich wie ratsam ist: aber das vergiftete Mißtrauen und die oftmals schiere Niedertracht, mit der diese Partei seit ihrer Gründung vor drei Jahren von den Medien in diesem Land behandelt worden ist, geht seit langem über jedes Maß, jedes Augenmaß und jede Anständigkeit hinaus): man sollte sich an den Gedanken gewöhnen, daß sie und die Wähler, die sie vertritt, kein vorübergehendes Phänomen sein dürften. Keines, das wie eine Fata Morgana verblasst, sobald der unmittelbare Anlass ihrer Entstehung, ob nun die Flüchtlingskrise oder die Eurorettung (gegen deren behauptete "Alternativlosigkeit" diese Partei ja begründet wurde), irgendwann, irgendwie bewältigt, eingehegt, oder zumindest händelbar gemacht worden sind. Sondern daß sie die Lücke (eigentlich ist es längst ein Abgrund) der konservativen Positionen vertritt und ausfüllt, die die Wandlung der CDU zur alternativlosen Kanzlerinnen-Partei mit linksgrüner Programmatik hinterlassen hat (nota bene: dies bezieht sich nur auf den rhetorischen Stil, nicht auf die reale Existenz einer solchen Ausrichtung. Die tatsächlich aufzufinden dürfte auch gewiefte Dialektiker vor eine harte Probe stellen.) Es empfiehlt sich, ihr zur Abwechslung einmal mit Argumenten entgegentreten zu wollen, mit einer aufgeklärten Nüchternheit statt mit Schaum vor dem Mund - auch auf das Risiko hin, festzustellen, daß manche, und vielleicht sogar viele ihrer Anliegen keineswegs Ausdruck schwefliger Ressentiments, sondern von geschichtlicher Erfahrung oder gar Pragmatismus zeugen. Wenn solche Gespräche auch nur ein Weniges dazu beitragen, dann kann man sich eigentlich gar nicht genug davon wünschen 








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Ulrich Elkmann


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