22. März 2016

Tod eines Berufspolitikers

Berufspolitiker haben einen schlechten Ruf in Deutschland, fast gilt dieser Begriff als Schimpfwort.
Berufspolitiker gelten vielen Leuten als Inbegriff dessen, was im Lande schlecht läuft. Ihnen wird unterstellt generell prinzipienlos zu sein, ohne Fachkenntnis, ohne Kontakt zum echten Leben und jederzeit bereit, politische Ideale für einen taktischen Vorteil zu verraten.
Das idealisierte Gegenbild ist der edle Amateur. Jemand mit einem soliden Beruf im Rücken, finanziell unabhängig und für eine begrenzte Zeit ein Mandat übernehmend, ohne von Parteiführung oder Regierung irgendwie abhängig zu sein.

In dieser Woche trauern wir um Guido Westerwelle. Er war einer der ganz Großen der deutschen Politik, viel zu früh gestorben an einer tückischen Krebserkrankung.
Bei den Nachrufen übergehen wir lieber, was diverse Fernseh-Sender produziert haben. Ich empfehle diesen Nachruf von Achim Hecht und diesen Text von Gregor Gysi. Der Erste ist einer meiner engsten politischen Freunde, der Letzere absolut das Gegenteil. Beide treffen relativ gut, was Guido als Mensch und in seiner politischen Funktion charakterisiert hat. Die Begeisterung über seine Arbeit zeigt, wie außergewöhnlich er als Politiker war. Und noch mehr zeigt das die Enttäuschung nach der Zäsur von 2013.

Ich durfte ihn auch bei verschiedenen Anlässen erleben. Als Vorsitzender der Jungen Liberalen bei Diskussionen am Rande von Bundesparteitagen. Bei seiner entscheidenden Mithilfe in den Verhandlungen zur Gründung des Bundesverbands Liberaler Hochschulgruppen. Und bei Wahlkampfauftritten als FDP-Vorsitzender, in denen er begeisternd liberale Ideen vertreten hat.

Guido Westerwelle war ein Berufspolitiker.
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Er hatte politische Grundüberzeugungen, die er langfristig und offen vertreten hat. Er konnte formulieren - zuspitzend für die treffende Öffentlichkeitsarbeit und ausgleichend für die notwendige Kompromißfindung. Er konnte mit Menschen umgehen, Vertrauen schaffen - aber sich notfalls auch mit Härte durchsetzen.
Er hatte eine unglaubliche politische Begabung, und hat die zum Beruf gemacht.

Natürlich gibt es viele andere Berufspolitiker, die nicht so begabt waren oder sind und die auch keine ähnliche Bedeutung geschafft haben.
Aber kann das wirklich ein Argument gegen das Berufspolitikertum als solches sein?

Was eigentlich soll dagegen zu sagen sein, wenn jemand beruflich das macht, was er am besten kann?
Soll es eigentlich besser sein von Leuten regiert zu werden, die Politik als Dilettanten betreiben?

Kein Mensch würde zu einem musikalisch begabten Menschen sagen: "Berufsmusiker zu werden, das geht ja grundsätzlich nicht. Such' Dir einen ordentlichen Büroberuf, dann kannst Du in der Freizeit ein bißchen fiedeln. Und wenn Du 10 Jahre lang Versicherungen verkauft hast, dann vielleicht darst Du mal vier Jahre zu den Philharmonikern. Oder maximal acht, dann aber zurück an den normalen Arbeitsplatz, denn von der Musik beruflich abhängig zu sein, das geht gar nicht".

Vielleicht wäre es sogar umgekehrt besser - wenn in Parlamenten und Regierungen mehr Leute sitzen würden, die Politik wirklich können. Die das von der Pike auf gelernt haben und die politische Karriere nicht nur einschlagen, weil sie auf dem regulären Arbeitsmarkt wenig Chancen haben.
Was natürlich bedeuten würde, daß man solche Spezialisten auch entsprechend motivieren und bei der Stange halten müßte. Denn entgegen landläufiger Vorurteile ist die Karriere eines Politikers nicht lukrativer als die in der Privatwirtschaft. Sie ist nur viel anstrengender und unsicherer.

Auf jeden Fall: Mehr Leute von der Qualität eines Guido Westerwelle im Parlament wären bestimmt ein Gewinn für unser Land.

R.A.

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