25. Dezember 2016

Christfest und Weihnachten: Eine Ruhestörung

Als Ausweis für die religiösen Bildungsdefizite seiner Schäfchen zitiert der katholische Theologe meines Vertrauens gerne den ihm gegenüber geäußerten Satz, dass Weihnachten auf den 24. Dezember falle. Natürlich ist das Datum des Christfestes der 25. Dezember. Was bei der Osternacht (die häufig schon am Karsamstag gefeiert wird) noch allgemein intellektuell nachvollzogen wird, rückt beim Jahresendfest in den Bereich des Unbegreiflichen.

Hat der Autor gerade wirklich vom "Jahresendfest" gesprochen?

Ja, hat er. Und das ist keine sozialistische Anwandlung, sondern ein realistischer Befund zu der Art und Weise, wie Weihnachten in durchschnittlichen deutschen Haushalten gefeiert wird. Für den Geschmack mancher wird dabei zu viel Alkohol getrunken. Bei anderen prallen unterschiedliche Weltsichten und Lebensentwürfe aufeinander, und man fragt sich bisweilen tatsächlich, weshalb Menschen, die das ganze Jahr über aus wohlerwogenen Gründen keinen Kontakt zueinander haben, mitten im kalten Winter glauben, so etwas wie Familie inszenieren zu müssen.

Die Bezüge auf die christliche Provenienz des Jahresendfestes sind, wenn überhaupt noch vorhanden, in aller Regel marginal: Vielleicht werden, begleitet von der aus höchsten Kreisen anempfohlenen Blockflötenuntermalung, kopierte Textzettel ausgegeben und Weihnachtslieder abgesungen, in denen von der Geburt Christi die Rede ist. (In der linksliberalen Weihnachtsgeschichte werden die Notenblätter übrigens von einem Weisen aus dem Morgenland ins Haus und Herz verstockter AfD- und CDU-trotz-Merkel-Spießer getragen.) Und der eine oder andere wird sich, ein liturgisches Event erhoffend, in die Christmette verirren.

Dieses weltliche Weihnachten würde sich perfekt als Fest für alle Deutschen eignen: Man kann es ohne jegliche religiöse Referenz feiern. Als Familienfest hat es sich inzwischen verselbständigt. Vermutlich ist es ein stärkeres Integrationszeichen, wenn Menschen, die noch nicht so lange hier leben und nicht christlichen Bekenntnisses sind, Weihnachten feiern, als wenn jemand Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz fehlerfrei aufsagen kann. Woher rührt eigentlich die Idee, dass eine Verfassung, die im Wesentlichen die Staatsorganisation sowie liberale Abwehrrechte gegen den Staat festschreibt, dazu angetan wäre und dazu angetan sein sollte, der Integration von Migranten in die Mehrheitsgesellschaft zu dienen?

Weihnachten - wir wechseln auf die religiöse Schiene - ist, auch dies muss der eingangs erwähnte Theologe immer wieder korrigieren, nicht das höchste christliche Fest. Die Bedeutungsverhältnisse zwischen Geburt und Auferstehung sollten eigentlich jedermann klar sein. Durch den profanen Überbau wird dies freilich verwässert: Weihnachten wird für das höchste christliche Fest gehalten, weil man da mehr oder teurere Geschenke bekommt als vom Osterhasen (Kinderantwort) respektive weil um Weihnachten mehr Zinnober gemacht wird als um das Auferstehungsfest, was doch mit der christlichen Wertigkeit der Feiertage im Zusammenhang stehen müsse (Erwachsenenantwort).

Die Geburt Jesu ist freilich nichts Banales. Zwar kommen tagtäglich Kinder auf die Welt, aber dass Gott sich dazu entschließt, als Sohn einer Handwerkerfamilie das Schicksal seiner Geschöpfe aus unmittelbarer Anschauung kennen zu lernen, ist beispiellos. Obwohl er aus seiner Erfahrung mit dem Alten Bund wissen musste, dass seine Vertragspartner bei der Erfüllung ihrer Pflichten nur allzu oft strauchelten, kündigt Gott das Übereinkommen nicht; vielmehr schließt er einen neuen Pakt, nunmehr mit allen Menschen, und erbringt mit Christi Tod und Auferstehung den unmissverständlichen Beweis seiner Liebe zu seinen schwachen und stets zur Sünde bereiten Kreaturen.

Wie auch immer Sie Weihnachten feiern, liebe Leser, ob religiös, weltlich, gemischt oder gar nicht: Ein frohes Fest!

Noricus

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