3. Dezember 2016

Kauft nicht beim Thor

Am Ende ist es in der Bedeutung eine Nickeligkeit, aber eine Nickeligkeit, die mir, umso länger ich darüber nachdenke, immer weniger aus dem Kopf geht. Das Hamburger Abendblatt berichtet von einer Geschichte um eine Geschäftseröffnung, die nach zwei Stunden bereits wieder beendet war. Ungewöhnlich erst einmal, so ungewöhnlich, dass es sich lohnt sich die Umstände näher anzusehen.

 Es handelete sich um ein Bekleidungsgeschäft, genaugenommen um ein Geschäft der Kleidermarke "Thor Steinar". Die meisten politisch interessierten Menschen werden gleich wissen, worum es dabei geht, aber dem vielleicht nicht ganz so informierten Leser sei gesagt, dass es sich dabei um Kleidungsstücke handelt, die in rechten und auch braunen Kreisen recht beliebt sind. In linken Kreisen ist der Steinar Schriftzug wohl ein ziemlich rotes Tuch und in solchen Kreisen ähnlich provokant als würde man mit einer Israel Fahne eine durchschnittliche Moschee besuchen. 

Nichtsdestotrotz ist festzuhalten, dass es sich keinesfalls um "illegale Kleidung" (so es solche gibt) handelt, sondern die Symbolik schlicht bei rechten Kreisen gut ankommt und in linken daher recht verhasst ist. Nun hat die Stadt, gleich mit fünf Mitarbeitern des Ordnungsamtes, den Laden nach besagten zwei Stunden wieder schliessen lassen. Man führt baurechtliche Gründe an, auch wenn man auf erste Nachfrage wohl nicht sagen konnte oder wollte, was diese genau sind.
Nun sind Schliessungen von Gewerbebetrieben aufgrund städtischer Auflagen zwar nichts alltägliches, aber an für sich noch nichts so ungewöhnliches. Normalerweise gibt man gerade bei formalen Dingen dem Gewerbe ein paar Tage Zeit die notwendigen Dinge nachzuweisen und sperrt nur in ganz extremen Fällen, meist bei Gefahr für Leib und Leben, die Dinge direkt zu. Prinzipiell hat ja jede Gemeinde Interesse an Gewerbebetrieben und versucht denen nicht unbedingt das Leben schwer zu machen. In diesem Fall war es wohl anders. Nun, für sich wäre das vermutlich noch keine Nachricht wert, aber es gibt eine Reihe von Aussagen aus der Politik von Norderstedt (das ist die betroffene Gemeinde), die zumindest Zweifel daran aufkommen lassen, als handele es sich hier um einen gewöhnlichen Vorgang, der jedes Gewerbe hätte treffen können.
Da sind zum einen die Aussagen der Fraktionschefs von Linken und Grünen, die im Wesentlichen argumentieren, man wolle "solche Leute ("etwas") hier nicht haben". Die Groteske solche Wünsche in einen Satz mit Offenheit zu assoziieren wird vermutlich beiden entgangen sein, aber die meisten Vorsitzenden von SED oder Grünen sind nun auch nicht unbedingt für besonderes Reflektionsvermögen bekannt. Die Vorstellungen von demokratischer Freiheit, insbesondere des Grünen-Chefs, der wohl Probleme damit hat, dass jemand tatsächlich an "einen Rechten" vermieten könnte, wären ein Thema für sich, sollen aber hier nicht im Vordergrund stehen.
Was weit schlimmer wiegt sind dagegen die Aussagen des Bürgermeisters zu der Sache und noch extremer des Rathaussprechers, der versichert, die Stadt werde sicherstellen, dass der Laden nicht eröffnet wird. Klingt das nach einer Stadtverwaltung, die neutral für jeden Bürger arbeitet? Klingt das nach einer Stadtverwaltung, die jedem Gewerbe gegenüber neutral auftritt? Und sollte es nicht im alleinigen Interesse der Stadtverwaltung liegen, dass ALLE Gewerbebetriebe im Gebiet die selben Auflagen erfüllen müssen und man ihnen dabei helfen diese Auflagen zu erfüllen?
Wir machen uns -zurecht- Gedanken zu einer Gesinnungsjustiz, aber wollen wir eine Gesinnungs-Stadtverwaltung?
Das ganze mag erst einmal marginal sein, aber es ist ein Dammbruch von kaum zu unterschätzender Bedeutung. In vielen, sehr, sehr vielen Gemeinden, tritt die Stadt auch als Vermieter, als Verpächter, als Verkäufer oder Kunde auf. Soll das demnächst, was ja offenkundigst das Ziel obiger Fraktiosnchefs ist, vom politischen Standpunkt abhängig sein? Kein Vermieten an "Nazis"? Keine Gemeindehallen an die AfD (den Fall hat es schon gegeben)? Keine Aufträge mehr an Unternehmer, die Kahane-Truppe als Nazis "identifiziert" hat? Himmelswillen. Ganz ehrlich.

Umso mehr ich darüber nachdenke ist das ein Skandal gewaltigen Ausmaßes. Und eine Katastrophe in ihren Auswirkungen. Die Idee "Kauft nicht bei Juden" ist in Deutschland ja inzwischen etwas unpopulär geworden (warum nur?). Nichtsdestotrotz wird sie von einer feinen, jetzt eben linken, "Elite", gerne mal klausuliert wieder aufgebracht. Wollen wir das auch wieder machen, wenn die SED ihren Antisemitismus Gassi führt? Keine Baugenehmigung für Juden? Ist vielleicht zu auffällig. Aber wie wäre es mit "keine Vermietung an Geschäfte, die amerikanische Flaggen verkaufen"? Die Linke hat genügend simple Feindbilder. Da geht sicher einiges.
Ich mache mir nicht unbedingt sehr große Sorgen um "Thor Steinar". Das ist ein vergleichsweise gut laufendes Unternehmen und wenn die sich rechtlich durchsetzen wollen, dann haben sie auch die Möglichkeiten dazu. Und wenn nicht tuts mir auch so weh nicht, ich bin eh kein großer Anhänger von Markenklamotten. Der Dammbruch dahinter macht mir allerdings mehr als Sorgen. Oder glaubt irgendjemand die vereinigte Linke macht danach Halt? Ich würde mir da keinerlei Illusionen machen, das geht weiter mit allem und jenem, dass irgendwie linkem Gedankengut kritisch gegenüber steht. Seien es "Rechte", seien es "Kapitalisten", seien es auch nur "Liberale". Himmelswillen. Wirklich.

­
Llarian

© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.