31. Dezember 2017

2018. Prognosen und Wünsche, ein Ratespiel

Silvester ist jedes Jahr der große Tag der Jahresrückblicke. Die selbst ernante Elite des deutschen Fernsehens hört sich beim Reden zu und schwadroniert darüber was im letzten Jahr so alles passiert ist (und wird versuchen so ungefähr all das, was wirklich passiert ist, möglichst diskret zu umschiffen, "regionale" Ereignisse schaden da nur).
Eigentlich eine gute Gelegenheit mal die Gegenfrage zu stellen: Nicht "Was ist 2017 passiert?" sondern "Was bringt 2018?".

Jahreszeitenklang: 最後一夜 - zuìhòu yī yè

Es gibt, nach dem bescheidenen Dafürhalten des Protokollanten, keinen besseren Abschluß für diese kleine Reihe von Jahresendklängen, als Coda des Jahresausklangs, als die Walzermelodie, die 蔡琴, Tsai Chin 1984 gesungen hat: 最後一夜, zuìhòu yī yè, "Die letzte Nacht". 



踩不完惱人舞步
喝不盡醉人醇酒
良夜有誰為我留
耳邊語輕柔
走不完紅男綠女
看不盡人海沉浮
往事有誰為我訴
空對華燈愁

我也曾陶醉在兩情相悅
像飛舞中的彩蝶?
我也曾心碎於黯然離別
哭倒在露濕台階?
紅燈將滅酒也醒
此刻該向它告別
曲終人散
回頭一瞥
嗯......最後一夜

30. Dezember 2017

Jahreszeitenklang: "Resonant Chamber"


(Animusic 2, "Resonant Chamber", 2005)

Miszelle: Ein bescheidener Vorschlag

"Manche unserer Gegner können es sich nicht verkneifen, uns in der Zuwanderungsdiskussion in die rechtsextreme Ecke zu rücken, nur weil wir im Zusammenhang mit der Zuwanderung auf die Gefahr von Parallelgesellschaften aufmerksam machen. Das, liebe Freunde, ist der Gipfel der Verlogenheit, und eine solche Scheinheiligkeit wird vor den Menschen wir ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Deshalb werden wir auch weiter eine geregelte Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung fordern."

Diese Sätze stammen, wortwörtlich, von Dr. Angela Merkel. Sie sagte sie auf dem 17. Parteitag ihrer Partei, der CDU, in ihrer Grundsatzrede am 1. Dezember 2003. Das Protokoll der gesamten Rede ist hier nachzulesen: "Rede der Vorsitzenden der CDU Deutschlands, Dr. Angela Merkel, MdB, auf dem 17. Parteitag der CDU Deutschlands am 1. Dezember 2003 in Leipzig. Es gilt das gesprochene Wort."

Mein Vorschlag ist nun: ich möchte Herrn Gauland bitten, demnächst eine Rede vor dem Deutschen Bundestag mit genau diesen Worten zu eröffnen, Wort für Wort. Allerdings, ohne diese Passage als Zitat kenntlich zu machen. Das sollte im Nachhinein erfolgen, wenn die Empörung im Plenum und den Medien zur erwartbaren Orkanstärke angeschwollen ist.

Zwei Dinge: zum einen ist die Passage nicht völlig unbekannt und auch des öfteren, etwa  von Henryk M. Broder, zitiert worden. Allerdings ist das Kurzzeitgedächtnis unseres polit-medialen Komplexes so auf schiere Tagesaktualität und den Verlust jeglicher Kontinuität abgestellt, daß dies das Überraschungsmoment garantieren würde. Zudem wird der Wahrheitsgehalt - daß Frau Merkel sich diese Aussage zuschreiben lassen muss - in keiner Weise tangiert.

Zum anderen: dergleichen wäre allein in seiner Wirkung auf Dritte von Belang. Wir dürfen getrost davon ausgehen, daß Frau Merkel sämtliche Äußerungen, die sie in der Vergangenheit getätigt hat, null und nichtig sind, so gleichgültig, wie ihr das zukünftige Schicksal dieses Landes, die Flüchtlinge oder auch nur die gegenwärtige Regierungsbildung ebenfalls und unübersehbar sind.
Ulrich Elkmann

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.

29. Dezember 2017

Jahreszeitenklang: 江雪, jiāng xuě

Der Klang der Stille.



Oder, in neuzeitiger Schreibrichtung:

柳 宗 元 - 江雪 

千山鳥飛絕, 萬徑人蹤滅。 
孤舟簑笠翁, 獨釣寒江雪。 

Jiāng xuě
qiān shānniǎo fēi jué, wàn jìng rén zōng miè. Gū zhōu suō lì wēng,
dú diào hán jiāng xuě.

Liu Zongyuan (773-819), "Schnee über dem Fluß"

Über tausend Bergen fliegt kein Vogel.
Auf zehntausend Wegen keine Menschenspur.
Ein einsames Boot, ein alter Mann mit Schilfhut
Fischt im kalten Fluß unter dem fallenden Schnee.

28. Dezember 2017

Jahreszeitenklang: M. A. Numminen, "Stille Nacht"

Da an dieser Stelle gestern schon von Parodie, Travestie, Persiflage, ironisierender Brechung und satirischer Inversion die Rede war, ein zweites Sa/eitenstück.



Stille Nacht, heilige Nacht...
Drei Männer aus dem Morgenland ritten von Haus zu Haus;
Diese waren wissenschaftlich ihrer Zeit voraus.
In der Nacht, heilige Nacht...
Kaspar, Melchior, Balthasar, die Namen der Herren sind.
Sie hatten Weihrauch und Edelstein als Geschenk fürs Jesuskind.
Stille Nacht, Wundernacht...
Manche Hausfrau beneidet gewiß die Dame im Morgenland
Da wird keine Weihnachtsgans gerupft, kein Schinken in der Hand
Dort leidet man nicht an Sodbrennen, an keiner Chaosband...
Im Morgenland gibts etwas Echtes, zum Beispiel die Pferde und die Kamele, 
zur Abwechslung wackelt dort die Erde, 
wir sitzen im Dreck, müssen kennenlernen A B C und noch mehr D...

Stille Nacht, heilige Nacht...
Hast du die Dromedare satt? Wir reiten ins Morgenland!
Wir gründen eine Buschfabrik und werfen Bananen in den Sand.
Schrille Nacht, Zaubernacht
Stille Nacht, Rille-Nacht
Brille-Nacht, Zille-Nacht
Willenskraft, Triller-Nacht
wie gestrafft, 
ehrenhaft, 
erste Haft, 
keine Pacht 
Muskelkraft
Schrille Nacht
Na, diese Nacht
Naaaaausdempracht
gut gedacht
nicht gebracht
nie gekracht
viel gelacht
weich geschlacht
schrille Jagd!

Streiflicht: Die Qualität des WDR

Zugegeben: Es ist manchmal ­recht billig auf den öffentlich, rechtlichen Rundfunk einzuprügeln, denn so richtig gerne zaht niemand das Zwangsgeld und der Mutantenstadel ist auch eine recht universelle Zielscheibe. Dennoch legt ja der ÖR allergrößten Wert darauf, dass es sich um eine Demokratieabgabe (klingt ja auch besser als Zwangsgeld) handele, und man damit die überragend guten Informationen und das Korrespondentennetz bezahlen müsse, dass den deutschen Zuschauer (oder Hörer) sehr gut informiere.

27. Dezember 2017

Jahreszeitenklang: "Carol of the Bells"



(Eine Klarstellung vorweg: es handelt sich hierbei NICHT um einen Liveleak aus dem Willy-Brandt-Haus, und gezeigt wird nicht, unerachtet der Physiognomie des Herrn in der Mitte, die dortige Parteiführung bei der Ausarbeitung der Kokotulationsbedingungen, die man der CDU Ende Januar, oder Februar, oder irgendwann später, überreichen wird. Auch bei der aus Binnensicht des Trios linksaußen positionierten, in der Wolle rot gefärbten Person handelt es sich - trotz des Wortschatzes und der hyperaktiven Hibbeligkeit - nicht um die Fraktionsvorsitzende, die demonstriert, wie sie sich die Umsetzung der Handlungsmaxime Bätschi! konkret vorstellt.)

Facebook macht einen "Fehler". Ein Gedankensplitter.

Am vergangenen Dienstag (vor Weihnachten) kam es in Berlin Schöneberg, direkt vor einem israelischen Restaurant zu einem antisemitischen ­"Vorfall". Ein 60 jähriger Mann, vermutlich leicht angetrunken, vermutlich Biodeutscher, nahm eine ins Schaufenster eines Restaurants gestellte Menora zum Anlass seine Meinung über Israel und über Juden im Allgemeinen, zum besten zu geben. Was dabei herauskam war ein Schwall allerfeinsten Antisemitismusses, angefangen vom "Ihr seid verrückt" bis zu "Ihr gehört in die Gaskammer". Eine Besonderheit besteht darin, dass ein (qualitativ durchaus gutes) Video von dem Vorfall existiert, das eventuell entschuldigende Interpretationen schwierig macht und durchaus für sich selber spricht. Das Video ist durchaus ein guter Beleg dafür, dass Antisemitismus nicht immer von den klassischen Stereotypen des Islamfanatikers oder dem kahl rasierten Stumpfnazi kommen muss. Es dürfte sich eher um genau den in Deutschland zunehmend virulenten Antisemitismus handeln, der aus der Mitte der Gesellschaft kommt.

26. Dezember 2017

Jahreszeitenklang: "The Atheist Christmas Carol"



Vienna Teng, "The Atheist Christmas Carol" (2004)

Ein Tweet oder Spass zu Weihnachten

Kennen Sie Ulf Poschardt? Nein? Muss man nicht unbedingt kennen, ist der derzeitige Chefredakteur der Welt. Und Herr Poschardt hat, wie vielleicht so mancher andere, etwas Langeweile am heiligen Abend gehabt und daher etwas getwittert. Er schrieb:
Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?­ 

25. Dezember 2017

Jahreszeitenklang: 小伯利恆, xiǎo bólìhéng

­



陶明潔 - 小伯利恆

美哉小城伯利恆 你是何等清靜
無夢無驚 深深睡着 群星悄然運行
在你漆黑的街道 永遠的光照耀
萬世希望 人類憂喜 今夜集中於你

Tao Mingjie - "xiǎo bólìhéng"

Měizāi xiǎochéng bólìhéng nǐ shì héděng qīngjìng
wú mèng wú jīng shēn shēn shuìzhe qúnxīng qiǎorán yùnxíng
zài nǐ qīhēi de jiēdào yǒngyuǎn de guāng zhàoyào
wànshì xīwàng rénlèi yōu xǐ jīnyè jízhōng yú nǐ

Kleines Bethlehem

Wie still ist es in Bethlehem, der kleinen Stadt
Über deinem tiefen, traumlosen Schlaf ziehen die Sterne dahin
Doch auf deinen dunklen Straßen leuchtet das ewige Licht
Die ganze Welt soll heut Nacht auf dich blicken.



24. Dezember 2017

Jahreszeitenklang: Renato Texeira, Almir Sater, "Noite Dos Sinos"



Renato Teixereia, Almir Sater - "Noite Dos Sinos" (2015)


Senhora dona da casa, bandeira passou

Todo ano ela passa, cantando em louvor
Porque sempre ela chega e sempre chegou

No dia da graça e do nosso senhor
A bandeira chegou, chegou, chegou
São as cores das fitas, são os cantadores

Viola ponteia os nossos louvores
O povo da roça chegou, chegou

E hoje é dia de reis, dia de reis, dia de reis

Um dia da graça outro é do pecador

E o perdão é o menino, o menino chegou
Para ser nosso rei, nosso redentor

Repiquem os sinos, cantemos o hino
O menino chegou, chegou, chegou

Divino espírito santo, Jesus menino

Milagre do amor, na noite dos sinos
O menino chegou, chegou, chegou

E hoje é dia de reis, dia de reis, dia de reis

Um dia da graça outro é do pecador

E o perdão é o menino, o menino chegou
Para ser nosso rei, nosso redentor

Repiquem os sinos, cantemos o hino
O menino chegou, chegou, chegou

Divino espiro santo, Jesus menino

Milagre do amor, na noite dos sinos
O menino chegou, chegou, chegou

E hoje é dia de reis, dia de reis, dia de reis

É o divino espírito santo é o Jesus menino
A bandeira chegou

23. Dezember 2017

Jahreszeitenklang: 平安夜, píng'ān yè

Dieses Lied bedarf keiner Textübertragung.



Es handelt sich nämlich um eine wortgetreue Übersetzung der Verse Josef Mohrs (1792-1848), zu denen Franz Xaver Gruber (1787-1863) 1816 die Melodie des wohl bekanntesten Weihnachtslieds überhaupt schrieb.

平安夜 聖善夜 
萬暗中 光華射
照著聖母也照著聖嬰
多少慈祥也多少天真
靜享天賜安眠
靜享天賜安眠
平安夜 聖善夜

píng'ān yè shèngshàn yè 
wàn ànzhōng guānghuá shè
zhàozhe shèngmǔ yě zhàozhe shèng yīng
duōshǎo cíxiáng yě duōshǎo tiānzhēn
jìng xiǎng tiāncì ānmián
jìng xiǎng tiāncì ānmián
píng'ān yè shèngshàn yè

22. Dezember 2017

Jahreszeitenklang: 白色聖誕 - báisè shèngdàn

Besteht eigentlich die Gefahr, daß im verminten Geländer der PC, der Politischen Korrektheit, die man, aus guten, sachlich triftigen Gründen und aufgrund der schieren Genervtheit ob der Penetranz, mit der man von ihren Vertretern behelligt wird, ganz unweihnachtlich zum Teufel wünschen mag, und zwar rund um die Uhr und ganzjährig - mit der wir aber, for the time being, vorerst und wohl auch auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus, geschlagen sind - besteht also das Risiko, daß im Frostklima der "verstatteten Diktion" selbst ein so harmloses Faktum wie die Rückstrahlfähigkeit von Dihydrogenmonoxid in Bereich des sichtbaren Lichts in festem Aggregatzustand den Türstehern und Conciergen zum Gegenstand des Ärgernisses gereicht? Mit anderen Worten: könnte es so weit kommen, daß die Erwähnung der Tatsache, daß Schnee dem menschlichen Auge als weiß erscheint, übel notiert wird, als zumindest latenter Rassimus?

18. Dezember 2017

Die berühmteste Weihnachtsfeier

Derzeit wirbt ein Verlag mit einer 30 cm großen Anzeige für ein Weihnachtsbuch mit diesem Rilke-Vers: „Es gibt so wunderweiße Nächte, drin alle Dinge Silber sind./ Da schimmert mancher Stern so lind,/ als ob er fromme Hirten brächte zu einem neuen Jesuskind.“

Wer ist dieses neue Jesuskind? In Friedrich Schleiermachers „Weihnachtsfeier“ war es, gendergerecht schon damals (1806), ein musikalisch begabtes kleines Mädchen als Symbol für eine christlich-festliche Geselligkeit. Schleiermacher wurde lange unterschätzt oder sogar als halber Atheist verdächtigt. Jetzt gilt er als der Kant in der Theologie.

17. Dezember 2017

Liebe alte Tante EsPeDeh ...



... eine kleine Frage mal zu diesem Komischen Kürzel "KoKo", das du vor vor ein paar Tagen, vor zweien? vor drei? vier? - in den Ring des Diskurses, die Agora der Öffentlichkeit, die mediale Arena geworfen hast.

Zuvor ein kleines Beiseit-Gesprochen: ich tue jetzt einfach einmal so, als sei dieses Sonderangebot, diese einmalige Gelegenheit zum politisches Winterschlußverkauf, immer noch gültig. Schließlich ist es schon länger als 48 Stunden her, daß es durch die Kanäle rauschte. Und es ist nun einmal ein Factum brutum, daß keine Nachricht, keine Meldung unserer Medien eine Haltbarkeit von mehr als zwölf Stunden besitzt. Danach verschwindet sie - und zwar egal um worum es sich dabei handelt, ohne jede Folge, ohne jede Konsequenz weit hinten in einem nachgerade prähistorischen Hinterland, in einer opaken Nebelkammer, die in diesem Land, aber nicht nur dort, sondern allgemein in Europa und im Westen, an die Stelle eines zetigeschichtlichen Gedächtnisses getreten ist - ein kollektiver Gedächtnisverlust, der jegliche Einordnung eines Gescheehns, jede Gewichtung, jedes Aufzeigen von Tendenzen unmöglich macht. Eine reine Gegenwart (Theologen sprechen hier von einem nunc stans, von einem Stillstand der Zeit), die sich über alles legt und nicht nur alle Aussichten aus die Zukunft unmöglich macht, sondern auch jeden Blick zurück auf das Terrain, das man beim Flug in diese Gegenwart hinter sich gelassen hat. Walter Benjamins Engel der Geschichte brauchte heute nicht mehr mit aufgerissenen Augen auf eine Trümmerhalde des Gewesenen zu starren, die er nicht wieder zusammenfügen kann, er befände sich im Blindflug in einer Wolkendecke ohne Lücken. Alzheimerpatienten muß die Welt so erschienen, wenn sie ahnungslos um ihren Selbst- und Zeitverlust nur noch dem unmittelbaren, momentanen Erleben ausgeliefert sind, ohne irgendeine facette davon jemals mit Sinn füllen zu können, weil ihr gesamtes Gedächtnis und ihre daraus erwachsende Persönlichkeit gelöscht sind.

12. Dezember 2017

Llarians Filmkritik: Tausend Planeten Zeitgeist

2017 war filmtechnisch betrachtet ein vergleichsweise langweiliges Jahr, sowohl im positiven wie im negativen Sinne. Die wenigen guten Filme kann man an einer Hand abzählen, aber auch die Zahl der Stinker war vergleichsweise übersichtlich. Langweilig eben. Und nicht so richtig viel dabei für das man eine echte Kritik schreiben müsste. Bis mir dann am vergangenen Wochenende der Film "Valerian - Die Stadt der tausend Planeten" begegnete. Zu diesem Film gibt es einiges zu sagen und deshalb soll er hier mit einem kleinen Review geadelt werden. Als Warnung sei vorweg geschickt: Dieser Artikel enthält Spoiler und ob er sich mit vernünftigen Gedanken beschäftigt kann ich auch nicht garantieren.

11. Dezember 2017

6. Dezember 2017

Ein Schritt zum Frieden

Wieder einmal hat es Trump geschafft die Medien damit zu überraschen, daß er einfach nur ein Wahlversprechen umgesetzt hat: Die USA verlegen ihre Botschaft in Israel in die Hauptstadt Jerusalem. Übrigens hat das der US-Kongreß schon 1995 beschlossen, es fehlte nur noch die Zustimmung des Präsidenten. Man kann also wirklich nicht von einer überhasteten Entscheidung sprechen.

Jetzt dominieren in den deutschen Medien natürlich die Journalismus-Lehrlinge, die das "gefährlich" und eine "Gefahr für den Friedensprozeß" nennen. Ein "Friedensprozeß", der aber schon 2000 durch die palästinensische Ablehnung von Camp David am Ende war, inzwischen hat Palästinenser-Diktator Abbas die Gespräche auch offiziell abgebrochen. Es gibt den "Friedensprozeß" schon längst nur noch in den Wunschträumen westlicher Intellektueller.

Befürchtet werden muß jetzt natürlich, daß Hamas und Co. den Anlaß für neue Terrorangriffe nutzen, die entsprechenden Ankündigungen sind ja schon publiziert.
Das heißt aber letztlich nicht viel. Es fehlt den Terroristen nie an Motivation für solche Angriffe. Beschränkt werden diese nur durch die israelischen Gegenmaßnahmen, nicht durch den Verzicht auf "Provokationen". Beeinflußbar ist in Maßen nur der Zeitpunkt solcher Angriffe, denn die Palästinenser nutzen diese natürlich für ihre Propaganda und werden jetzt schon lange vorbereitete Attentate als Antwort auf Trumps Entscheidung präsentieren.

Sowohl die peinlichen Reaktionen in Deutschland und Westeuropa wie der übliche arabische Terror sind aber letztlich Nebensächlichkeiten.
Viel wichtiger ist die Aussicht, daß die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt ein wichtiger Schritt zum Frieden sein kann.

29. November 2017

Mal wieder zwei Fälle

In Deutschland passieren täglich Verbrechen, das ist soweit nichts besonderes. Und die Justiz, die ja blind ist, bemüht sich des Öfteren zu betonen, wie neutral sie versucht damit umzugehen, so dass jedem Verbrechen seine gerechte Strafe folgt und jedes Opfer gleich behandelt wird. Und die deutsche Öffentlichkeit, auch wenn sie sich nicht so blind wähnt, will dem natürlich nachfolgen. Wie schwierig das ist, und wie gut das funktioniert, möchte ich anhand von zwei Beispielen aufzeigen, die sich in den vergangenen Tagen ereignet haben. Natürlich sind zwei Taten nie gleich, aber man kann doch Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen:

Die Stasi ist tot, es lebe die Stasi

Es gibt sicher nur wenige Figuren im deutschen Politikbetrieb die derart massiv polarisieren wie der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen Björn Höcke. Auch im kleinen Zimmer ist der Mann öfter thematisiert, weil er schlicht Dinge vertritt, die dem aktuellen, liberalen Staatsverständnis nicht nur ein bischen entgegenstehen. Der Mann ist provokant und setzt diese Eigenschaft auch sehr bewusst ein um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Alles in allem ergibt sich ein Mensch, dessen inhaltliche Positionen wohl von einer vergleichsweise breiten Mehrheit abgelehnt werden. 
Dennoch sollte betont werden, dass (trotz eifriger Versuche) nie nachgewiesen wurde, dass er den rechtsstaatlichen Rahmen verlassen hat, oder simpel gesagt: Er tritt zwar für die Beseitigung des §130 (Volksverhetzung) ein, hat aber selber wohl keine begangen, zumindest ist nichts entsprechendes bekannt.

26. November 2017

方逸華, 1934年7月27日-2017年11月22日. Mona Fong (27. Juli 1934 - 22. November 2017)

Am Donnerstag dieser Woche starb in Hong Kong Fang Yihua, die auch im chinesischen Raum besser unter der anglisierten Form ihres Namens Mona Fong bekannt ist, im Alter von 83 Jahren (oder vielleicht, wie es sich für die Branche, in der sie tätig war, geziemt, von 86 Jahren: viele ältere Quellen nennen als ihr Geburtsdatum den 1. 1. 1931), von den hiesigen Medien, denen sie kein Begriff war, übersehen. Wenn ihr Name hier Kennern des chinesischen Kinos geläufig sein dürfte, dann als zweite Hand und, spät in ihrem Leben, zweite Ehefrau des großen Moguls (und Mäzenaten) der Hongkonger Filmindustrie, Sir Run Run Shaw, dem dritten und einflußreichsten der drei Shaw-Brüder, denen das chinesische Kino eigentlich seine Existenz verdankt. (Das erste vom ältesten Bruder, Runme, gegründete Studio, Tianyi, begann 1925 mit der Filmproduktion, um für die größte chinesische Diaspora in Indonesien und Malaysia "einheimische" Film, mit chinesischen Darstellern und - damals noch - chinesischen Zwischentiteltafeln zu produzieren, die in Kinos gezeigt wurden, die ebenfalls von den Shaw-Brüdern betrieben wurden. 1937, kurz vor dem Ausbruch des japanisch-chinesischen Kriegs, der für China den Beginn des Zweiten Weltkriegs markiert, verlegten die Brüder ihr Studio von Shanghai ins vermeintlich sichere Hong Kong, das zudem als britische Kronkolonie von den Strikturen und Zensurbeschränkungen der nationalchinesischen Guomindang unter Tschiang Kai-Shek ausgesetzt war.) 1957 gingen aus den Tianyi-Studios die Shaw Brothers Studios hervor, die dann den chinesischen Markt außerhalb der Volksrepublik (und ihrer kulturellen Wüste reiner maoistischer Propaganda)  und für den Rest der Welt beherrschten und das Bild prägten, das die Welt für die nächsten Jahrzehnte von Kino Chinas hatte: schnelle und billige Massenprodukte, die sich auf zwei Sparten beschränkten: Martial Arts-Filme, für deren immergleiche Machart die Namen Bruce Lee und Jackie Chan exemplarisch standen, und seichte Gegenwartskomödien mit trivialen Kabalen, die oft als Musicals angelegt worden waren und bei denen die Güte der Songs in staunenswertem Kontrast zur Seichtheit des Rests stand - bei den US-amerikanischen Musicals, die nicht zufällig zur gleichen Zeit am Broadway aufkamen, läßt sich, als hübsches Beispiel einer kulturellen Parallel-Evolution, genau das gleiche Phänomen beobachten. Man ist immer wieder von der Plattheit und Trivialität der Bühnenshows überrascht, aus denen unverbrüchliche Klassiker des Great American Songbook, bis hin zu den Liedern von George Gershwin und Rogers und Hammerstein bis heute im Ohr geblieben sind (auch As Time Goes By verdankt sich nicht etwa den kreativen Bemühungen um Casablanca, dessen Filmpremiere sich im nächsten Monat zum 75. Mal jährt, sondern wurde von Herman Hupfeld 1931 für das schnellstens von der "Furie des Vergessens" (Hans Magnus Enzensberger) vertilgte Musical Everybody's Welcome getonsetzt).

24. November 2017

Spätherbstliche Elegie in Prosa

Das Leben verläuft in einer Kurve, die sich üblicher- und auch idealerweise zusehends verflacht. Wer kann sich nicht mehr an die unermesslichen Wonnen aus Kindertagen erinnern, als man am Heiligen Abend auf die Bescherung wartete und dann, als das Geschenk ausgepackt war, dieses in seliger Versunkenheit einer Überprüfung nach allen Seiten unterzog? Wer kann sich nicht mehr an die unermesslichen Drangsale erinnern, wenn das Lieblingsspielzeug defekt und Trost schlechterdings unmöglich war? 

Es folgte die Jugend mit ihren Verzückungen – der ersten Liebelei, dem Gefühl des Erwachsenwerdens – und der rezidivierenden Konfrontation mit der subjektiven Gewissheit, nicht liebenswert und doch noch nicht so sehr gereift zu sein. Nach der Volljährigkeit, der Schulzeit wechselten die Erfolge des Wohlbestehenkönnens in der harten Realität mit dem Erschrecken über den kalten Wind, der das Mann- und Frausein umweht. 

Und irgendwann hat man es sich gerichtet. Wenn nichts dramatisch Gutes oder Schlechtes mehr passiert, verwaltet man sein Leben gleichförmig zu Ende – je nach Temperament mit einer Grundstimmung der Zufriedenheit oder des Missmuts. Der Gedanke an das Sterben verliert seine histrionische Überspitzung: Eines Tages wird er kommen, der stachellose Tod, und alles, was in diesem Leben an Schuld und Schmerz, an Lust und Liebe angefallen ist, im Sinne einer Generalbereinigung auf null stellen. 

Die Dinge ereignen sich nicht zweimal, zuerst als Tragödie und danach als Farce, sondern immer nur einmal: als Tragödie und Farce zugleich.

Noricus

© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.

22. November 2017

Blick in die Glaskugel: Der 16. März 2018

Viel ist geschrieben worden über den historischen 19. November, an dem in Deutschland zum ersten Mal der Regierungsbildungsautomatismus nach einer Bundestagswahl versagt hat. Und wenn sich die SPD nicht doch noch zu einer Neuauflage der GroKo breitschlagen lässt, werden wir bis weit ins neue Jahr hinein keine sogenannte stabile Regierung haben. 

Ob der Bundespräsident nun eine Minderheitsregierung forciert oder nach einer gescheiterten Kanzlerwahl das Parlament auflöst und den Weg für Neuwahlen - die wahrscheinlich frühestens im April stattfinden könnten - freimacht, ob die Parteivorsitzenden von CDU (wahrscheinlich), CSU (unwahrscheinlich) und SPD (50:50) im Amt verbleiben oder nicht - schon jetzt wirft ein bestimmtes Datum seinen Schatten voraus über den frisch gewählten Bundestag und seine Mitglieder.

Es ist der 16. März 2018.

21. November 2017

Zitat des Tages: Beide strahlen.

Merkel also geht wieder einmal hinüber zu den Grünen. 
[...]
Auch mit Claudia Roth, der ebenfalls dem linken Grünen-Flügel zuzurechnenden Bundestagsvizepräsidentin, gibt es ein längeres Begrüßungszeremoniell. Beide strahlen.

Aus dem Artikel "Ein fast normaler Tag im Plenum" von Günter Bannas vom 21.11.2017 auf faz.net.

Zitat des Tages: Die Schönheit des Scheiterns

Die Jamaika-Unterhändler haben also bewiesen, dass man sich trotz ideologischer Differenzen annähern kann, gleichzeitig die eigenen Grundüberzeugungen nicht verlieren muss – und am Ende auch zum eigenen Misslingen stehen sollte. Schöner ist noch keine Koalition gescheitert.
Ferdinand Otto, DIE ZEIT

Kommentar:

Ich weiß ja nicht, welche Sondierungsgespräche Herr Otto von der ZEIT verfolgt hat. Ich bin nicht einmal sicher, über welches Land er berichtet, was die politische Kultur angeht.

20. November 2017

Prankenhieb: Regiert werden um jeden Preis?


Denn die Liberalen und ihr Chef Christian Lindner sind damit nicht nur aus schwierigen Verhandlungen geflohen. Sie haben sich vor allem aus der Verantwortung für Deutschland gestohlen. Erst die Partei, dann das Land – das ist die Devise, nach der Lindner gehandelt hat. Er zeigt sich damit als verantwortungsloser und pflichtvergessener Politiker.
Quelle: shz.de (stellvertretend für eine Vielzahl ähnlich lautender Artikel).

Schon wieder so ein Weltuntergang. Staatskrise. Schaden an "unserem Land". In so schwierigen Zeiten (Trump, Flüchtlinge, AfD, Klima, Diesel, 1. FC Köln zwölf Spiele ohne Sieg) ist der Abbruch der Sondierungsgespräche (bin ich eigentlich der einzige, dem dabei die Assoziation der Magensonde, also einer künstlichen Ernährung von etwas, das allein nicht lebensfähig ist, auffällt?) durch die FDP - so ruft es aus allerlei Ecken - noch verwerflicher.

„Für die Müllfee“

So lautet die schöngeschriebene Aufschrift auf einem Behälter an einem der parallelen Isar-Spazierwege zwischen Harlaching und Grünwald. Nicht oben am Hochufer, sondern am Waldstreifen zwischen Kanal und Wildwasserbett. Wer das wohl ersonnen hat? Wohl nicht die städtische Entsorgung, sondern jemand aus einem Verein, dem die Müllbeseitigung am Herzen liegt. Das Herz spielt hier überhaupt eine große Rolle: Der Behälter steht nahe der Hochbrücke, wo die Liebespaare ihre Schlösser ans hohe Drahtgitter (gegen die Selbstmordversuchung) hängen und die Schlüssel hinunter ins Flussbett werfen.

18. November 2017

Zitat des Tages: Der Wählerauftrag und die Verantwortung

"Aber natürlich erwarte ich, dass sich alle Seiten ihrer Verantwortung bewusst sind. Und mit dieser Verantwortung umzugehen heißt auch, den Auftrag nicht an die Wähler zurückzugeben."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Welt-am-Sonntag-Interview, aus dem in diesem Welt-Online-Beitrag vorab zitiert wird, mit Bezug auf die Sondierungsgespräche über die mögliche Bildung einer Schwampel-Koalition.

Kommentar: Der promovierte Jurist Steinmeier weiß natürlich, dass nicht die am Verhandlungstisch sitzenden Parteifunktionäre, sondern er selbst über Neuwahlen entscheiden muss, wenn die Bundeskanzlerwahl für den erfolgreichsten Kandidaten lediglich eine relative Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Deutschen Bundestages ergibt. Hat das Staatsoberhaupt mit dieser Äußerung bereits offenbart, wie es auf den beschriebenen Fall reagieren würde? Überraschend wäre diese Präferenz des Bundespräsidenten nicht; denn Steinmeier kann nicht übersehen, dass Angela Merkel alles andere als die Idealbesetzung für die Rolle der Anführerin einer Minderheitsregierung darstellt: Das System Merkel baut ja gerade darauf auf, eine möglichst breite, duldsame Parlamentsmajorität hinter sich zu haben, die ein von Programmen und Inhalten unbekümmertes, auf den Machterhalt der "Chefin" konzentriertes Durchregieren ermöglicht.

14. November 2017

Streiflicht: Die CSU verzichtet

Wie aus gut unterrichteten Kreisen bekannt wurde, hat die CSU sich endlich bewegt und einen großen Schritt Richtung Jamaika gemacht. Was Horst Seehofer, gemeinsam mit Alexander Dobrindt, in die Sondierungsgespräche Anfang dieser Woche einbrachten, war ­eine kleine Sensation: Die CSU ist bereit statt anderthalb Millionen Flüchtlingen, die man eigentlich 2018 ohne Einspruchsmöglichkeit abschieben wollte, nur noch eine Million abzuschieben. Gleichzeitig deutete man an, dass man vielleicht auch bereit sei darüber zu reden, sieben neue Atomkraftwerke, die man eigentlich 2020 errichten wollte, erst einmal weiter in die Zukunft zu schieben.

12. November 2017

Der Mensch, das Werk und die Einsamkeit am Pranger

Eine Todsünde kann nach römisch-katholischer Lehre durch das im Rahmen der Beichte gespendete Sakrament der Versöhnung (auch Buße genannt) getilgt werden. In der säkularen Religion unserer Tage genügt hingegen schon der Verdacht einer schweren Verfehlung, um einen Menschen dem ewigen Höllenfeuer zu überantworten. Kevin Spacey, durch seine Rolle in dem Film Sieben mit den Todsünden (oder richtig: Hauptsünden) jedenfalls in hollywoodesker Drehbuchtiefe vertraut, erlebt in diesen Tagen den ungebremsten Rigorismus einer unbarmherzigen (als Katholik ist man versucht zu sagen: sehr protestantischen) Moral.

Ob die Vorwürfe nun zutreffen oder nicht: An Spaceys Werk ändert das nichts. Wer ihn zuvor für einen großen Sohn der Melpomene (oder, je nach Ansicht, der Thalia) hielt, sollte davon jetzt nicht abrücken. Anders formuliert: Spaceys schauspielerische Leistungen sind völlig unabhängig davon, ob er – um in der Religions-Isotopie zu bleiben und es leicht flapsig zu formulieren – einen heiligmäßigen Lebenswandel führt.

11. November 2017

Von der dritten und der vierten Phase in der Geschichte der Bundesrepublik

Bei Stammlesern dieses Blogs wird der Titel des vorliegenden Beitrags Erinnerungen wecken: Vor gut sieben Jahren publizierte Zettel in diesem virtuellen Logbuch einen Essay unter der Überschrift "Die dritte Phase in der Geschichte der Bundesrepublik geht in diesen Tagen zu Ende. Eine These" (ZR vom 14.09.2010). Darin periodisierte Zettel die Geschichte seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes in drei Abschnitte von jeweils circa zwanzig Jahren, und zwar in die durch die Kanzlerschaft Konrad Adenauers geprägte Zeit von der Schaffung der Bundesrepublik (beziehungsweise der bereits zuvor vollzogenen Währungsreform) bis zu den späten sechziger Jahren, daran anschließend rund zwei Dezennien des gesellschaftlichen Umbruchs, repräsentiert durch die sozialdemokratisch-liberalen Koalitionen unter Brandt und Schmidt, und schließlich das Intervall zwischen der Wiedervereinigung und der durch Thilo Sarrazins Sachbuchbestseller "Deutschland schafft sich ab" ausgelösten Debatte, die Zettel gleichsam als Anfang vom Ende der dritten Phase in der Geschichte der Bundesrepublik betrachtete.

6. November 2017

Zitat des Tages: Legal, aber nicht unumstritten

"Nur weil etwas legal ist, muss es noch lange nicht legitim oder unumstritten sein. [...] Das fehlende Geld könnte etwa in Krankenhäuser, Schulen und Straßen investiert werden."

Frederik Obermaier und Bastian Obermayer in ihrem auf sueddeutsche.de erschienenen Artikel "So lief die SZ-Recherche", der eine Art FAQ zur journalistischen Enthüllung der sogenannten Paradise Papers darstellt.

Kommentar: Wenn es eine Meisterschaft im Phrasendreschen gäbe, hätte das Duo Obermaier und Obermayer beste Chancen auf den Gewinn des Doppel-Wettbewerbs. Man lässt - um es in memoriam Loriot zu formulieren - mal wieder die Ente zu Wasser, auf deren Flügel bei früheren Gelegenheiten in nicht besonders feuchtigkeitsfester Farbe "Panama Papers" und "Cum-Ex-Steuerraub"  gepinselt worden war. Gerechtfertigt wird das alles dann noch mit einem Obama-Zitat, das in den Kreisen unserer beiden Schreiber zweifelsohne jedes rationale Argument ersetzt.

5. November 2017

Meckerecke: Hexerjagd mit dem Bumerang

Schadenfreude ist invertierter Neid und wie dieser eine wenig achtbare Gemütsregung. Deshalb sollte es Konservativen und Liberalen keine klammheimliche Freude bereiten, dass die jüngste Sexismus-Säuberungsaktion mit Harvey Weinstein, Kevin Spacey und nun auch Peter Pilz linke Männer aus Kultur und Staat zur Strecke gebracht hat.

Bezüglich des österreichischen Politikers fällt es aufgrund des Zeitpunktes der Enthüllung und der Umstände der entsprechenden Causa äußerst schwer, keine gezielte Aktion der Grünen zur Demontage ihres Apostaten zu vermuten. Pilz hatte nämlich mit seiner ehemaligen Mitarbeiterin eine einvernehmliche Regelung unter Vereinbarung des Stillschweigens getroffen, wobei der Wunsch nach Diskretion nicht einer Vertuschungsbemühung des 63-Jährigen, sondern den Forderungen der an der Übereinkunft beteiligten Frau entsprungen sein soll. Heuchlerische Vorwände, wonach mit der Aufdeckung der Angelegenheit dem Opfer Genüge getan oder ein Bewusstsein für das Ausmaß des Problems geschaffen werden sollte, wären so wenig glaubhaft, dass sie - soweit ersichtlich - in halbwegs ernsthaften Publikationen noch nicht einmal zum Vortrag gelangten.

3. November 2017

Luther und die Linke. Die Exkommunikation als Weg in den eigenen Machtverlust. Eine Gedankenpromenade

Wenn von der kulturellen Hegemonie der Linken die Rede ist, wird eigentlich etwas Altbekanntes zur Sprache gebracht: Die Medien sind nicht erst seit gestern überwiegend links, die Universitäten (dem Klischee nach jedenfalls die geisteswissenschaftlichen Fakultäten) ebenso und in den Reihen der sonstigen Intellektuellen gehört es spätestens seit 1945 zum guten Ton, sich ideologisch im Spektrum der Antipoden der Rechten zu verorten. Die an Jahren etwas reiferen Leser dieses Blogs werden sich zum Beispiel noch an die Aufregung um Botho Strauß‘ Essay „Anschwellender Bocksgesang“ erinnern – der wurde vor fast 25 Jahren im SPIEGEL (Ausgabe 6/1993) gedruckt, in der im Rückblick so golden erscheinenden Kohl-Ära, also noch lange vor der Regentschaft Angela Merkels.

30. Oktober 2017

Moderne Familie oder ein Hauch von DDR. Ein Gedankensplitter.

­Stellen Sie sich folgende, vielleicht fiktive(?), Situation vor: Ein Elternpaar geht mit seinem Sprössling zum Tag der offenen Tür einer lokalen Grundschule, um sich dort zu erkundigen, welche Schwerpunkte die Schule setzt, wie das Anmeldeprocedere ist, wieviel Schüler die Schule besuchen und was sonst noch alles wichtig ist. Mit die erste Aussage, die die Eltern von einer anwesenden Lehrkraft bekommen, ist, dass man leider keinen OGS Platz garantieren könne, man aber klar das Ziel verfolge in Zukunft für alle Kinder einen anbieten zu können. Die Eltern haben aber gar nicht nach einem solchen Platz gefragt und entgegnen, dass sie nur nach einer ganz normalen Schulbetreuung suchen, eventuell mit Übermittagsbetreung bis ein Uhr. Die Lehrerin schaut die Eltern an wie ein Auto, braucht ein paar Sekunden um die Information zu verdauen und erklärt, dass man keine solche Betreuung anbietet, sondern nur zwischen OGS Platz und Halbtagsschule unterscheide, und man letzteres natürlich auch(!) anbieten könne.

27. Oktober 2017

Wenn man genau gar nichts verstanden hat

Am Wahlabend zur Bundestagswahl wurden viele mehr oder minder kluge Reaktionen abgegeben. Eine der beliebtesten wie abgedroschensten war die bekannte Formel: Wir haben verstanden.

22. Oktober 2017

Keine Jeanne d'Arc, nirgends: Zur neuen Sexismus-Debatte

Über die derzeitige Sexismus-Debatte (#metoo, Causa Chebli) braucht man eigentlich nicht viele Worte zu verlieren: Bei problemlösungsorientierter Betrachtung ist es völlig sinnlos, ein situationsinadäquates Kompliment mit Vergewaltigungen in einen Topf zu werfen und unterschiedslos mit dem Etikett "Sexismus" zu versehen, weil dadurch der Begriff so ausgehöhlt wird, dass er fast alles oder auch nichts umfassen kann und letztlich in seiner konzeptuellen Beliebigkeit untergeht. Genau darauf scheint es den Promotern dieses neuen Aufschreis jedoch gerade anzukommen: Beweisziel ist, dass nahezu jede Frau in den westlichen Ländern schon einmal mit sexistischem Verhalten konfrontiert war. Das wird natürlich dann richtig, wenn man möglichst viele Handlungsweisen mit dem Negativlabel bestempelt.

18. Oktober 2017

Shitstorm und Kontext

Zu den Kommunikationsformen im Internet gehört seit einiger Zeit der "shitstorm". Jemand reißt eine Äußerung oder einen Vorfall aus dem Zusammenhang, interpretiert ihn in möglichst negativer Weise und zirkuliert das dann mit einem empoörten Kommentar in seinem Netzwerk. Und alle die das entsprechende Welt- oder Feindbild teilen, verbreiten die Empörung mit eigenen Kommentaren weiter. Ab einer gewissen Resonanz gilt dann die häufige Wiederholung der Vorwürfe und die erzielte Reichweite als Beleg dafür, daß es wirklich Grund für Empörung gab.

Aktuell liefert die Berliner Staatssekretärin Chebli ein Beispiel dafür, daß man mit einem Vorfall gleich zwei, und zwar entgegengesetzte, shitstorms auslösen kann.
Einmal der von ihr gewünschte: Wieder einmal ein Beispiel dafür, daß Männer Frauen herablassend behandeln und sie trotz oder wegen ihres beruflichen Erfolgs mit auf die Person zielenden Sprüchen angreifen.
Zum Anderen aber ein gegenläufiger shitstorm der Art, sie solle sich nicht so anstellen, ein Mann dürfe ja wohl einer Frau noch ein Kompliment machen. Wo sie schon dabei sind thematisieren auch viele Beiträge noch die Vermutung, sie hätte ihren Posten ohnehin nur wegen Quote jung/Frau/Migrationshintergrund bekommen.

Imbeziles, kurz kommentiert: Patrick Bahners' intellektueller Offenbarungseid

Es gibt Sätze, Aussagen zumal, bei denen sich eigentlich jeder weitere Kommentar erübrigt: zu offenkundig ist ihre Aussage, stellen sie den, der sie getätigt hat, vor aller Welt bloß. So auch in diesem Fall. Patrick Bahners, seit langem der prominenteste deutscher Vertreter der Deutschen Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus (D.O.N.A.L.D.) sowie zahn Jahre als Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und seit dem vorigen Jahr dortselbst für das (einstmals) renommierte Ressort "Geisteswissenschaften" zuständig, hat sich am letzten Tag der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, am letzten Sonntag also, zu einer solchen Offenbarung bemüßigt gesehen. Über den Kurznachrichtendienst Twitter teilte er der Öffentlichkeit folgendes mit:­

 Patrick Bahners‏ @PBahners  15. Okt.
Die Einbildung, ein von Menschen gemachtes Gesetz müsse über den heiligen Büchern der Religionen stehen, ist der wahre Fanatismus.

17. Oktober 2017

Rechtsruck oder Linkskommutation? Eine Nationalratswahlnachlese

Viel dürfte sich beim Ergebnis der österreichischen Nationalratswahl nicht mehr tun: Bis auf diejenigen Wahlkarten, die am Sonntag in fremden Sprengeln abgegeben wurden, es soll sich dabei um circa 36.000 Stück handeln, sind alle Stimmen ausgezählt. Die ÖVP wird mit 31,5 Prozent die deutlich stärkste Kraft. Auf Platz 2 und 3 sind mit hauchdünnem Unterschied (26,9 zu 26,0 Prozent) die SPÖ und die FPÖ zu liegen gekommen. Die NEOS schaffen mit 5,3 Prozent komfortabel, wenn auch nicht mit einem berauschenden Resultat, erneut den Einzug ins Parlament. Die Liste des Grünen-Renegaten Peter Pilz überspringt knapp die 4-Prozent-Hürde, die von ihm verlassene Partei scheitert hingegen an der Untergrenze. Damit Abgeordnete der Ökobewegten doch noch im Hohen Haus Platz nehmen können, müsste es bei den noch nicht berücksichtigten Votumszetteln einen unwahrscheinlich großen Zuspruch für die Alternativen geben.

16. Oktober 2017

Es ist Zeit Geld zu verschenken!

­Lieber deutscher Staat, liebe Regierung und lieber Bürger,
ich habe eine Bitte, bzw. einen Vorschlag an Sie alle. Ich bitte Sie Geld zu verschenken. Und zwar viel Geld. Wenigstens 10 Milliarden Euro, im Idealfall sogar 15 Milliarden. Vielleicht, ja vielleicht sogar 100 Milliarden Euro.

14. Oktober 2017

Nicht der Roboter bedroht uns, sondern?

Vorhersagen treffen meist entweder nicht oder ziemlich anders ein. Wenn jemand fürchtet, die Roboter würden eines Tages die Menschen nicht nur am Schachbrett übertreffen, sondern sich selbständig machen und uns bedrohen, zielt er auf das Gruseln. Bei einem üblen Zusammenspiel von Überwachern und Technik würde ein bürgerliches Bravsein ohne Freiheit erzwungen, das die Rebellion vieler wecken würde. Das Thema deckt auch eine Veränderung in unserem Weltbild auf. Nicht Roboter werden die Menschen besiegen wollen, sondern eine wirkliche Gefahr ist: Der Mensch versteht seine Stärke in der Schwäche nicht mehr, er stuft sich herab auf eine bloß höhere Tierart ohne freien Willen, mit nur automatischen Gefühlen, wie eine langsame Schnecke oder ein seelenloser Affe.

12. Oktober 2017

Von Wählerinnen und Wählern

­Es gibt eine Formulierung, welche man dieser Tage immerfort hört. Eine Formulierung, welche jeder Politiker ganz selbstverständlich nutzt. Von ganz links bis ganz rechts in der parlamentarischen Sitzordnung, obschon diese ja derzeit noch ausgehandelt wird - zumindest soweit es den deutschen Bundestag betriff. Jeder hat sich an diese Formulierung gewöhnt. Sie ist neue, standardisierte Umgangsform. Wer Sie nicht nutzt, macht sich unwählbar bei seiner Klientel. Da scheint sogar der Beelzebub AfD nicht ausgenommen.

„Die Wählerinnen und Wähler“ sind in aller Munde.

11. Oktober 2017

Kurz, Strache, Kern. Am 15. Oktober wählt Österreich

"Ritter, Dene, Voss", heißt eines der Theaterstücke Thomas Bernhards. Die in jenem Titel genannten Namen gehören eigenartigerweise nicht den Bühnenfiguren. Vielmehr hat der wohl wirkmächtigste aller österreichischen Österreich-Kritiker damit den Darstellern der Uraufführung des erwähnten Werkes ein Denkmal gesetzt.

Während der Wahlkampf vor der Abstimmung über den neuen Deutschen Bundestag an den vergeblich erwarteten Godot aus Becketts absurdem Drama erinnerte, hätte Bernhard in der Auseinandersetzung der alpenrepublikanischen Parteien um Sitze im Nationalrat zweifellos Stoff für eines seiner Schauspiele gefunden. Ob er das Opus "Kurz, Strache, Kern" genannt hätte, kann die Nachwelt nicht mit Sicherheit feststellen.

3. Oktober 2017

Zum Umgang mit Dramen

Nach jedem von Mördern verursachten Drama, sei es islamistisch, sei es rechtsextrem, sei es linksextrem oder sei es ohne ideologischen Hintergrund, stellt sich unmittelbar im Anschluss daran die Frage, wie mit Aspekten der Tat umzugehen ist, über die das Land gespalten ist. Das Land, um das es hier geht, sind die USA.

2. Oktober 2017

Mein Katalonien? Nein, Katalonien? Gedanken zur Legalität und zur Legitimität einer Volksabstimmung

Im Verfassungsblog ist im Vorfeld zu dem gestern durchgeführten Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens eine dreiteilige, von dem spanischen Staatsrechtsprofessor Andrés Boix Palop verfasste Serie mit dem Titel "The Catalunya Conundrum" erschienen. Die Artikel-Triologie (Teil 1, Teil 2, Teil 3) hat sich eine Leseempfehlung redlich verdient.

Dass die Volksabstimmung über die Sezession der autonomen Region im Nordosten der iberischen Halbinsel gegen die spanische Verfassung verstößt, war - so Palop - aus früheren Entscheidungen des spanischen Verfassungsgerichtshofs zu erschließen und entspricht auch der ganz herrschenden Meinung in der Lehre. Wenig überraschend fielen die zum nunmehrigen Eigenstaatlichkeitsanlauf gefällten Entscheidungen der Madrider Höchstrichter gegen die Separatisten aus.

Der Zentralregierung wirft Palop vor, auf den Rechtsbruch nicht in der verfassungsmäßig vorgezeichneten Weise zu reagieren: So wäre ein Artikel in der spanischen Verfassung anzuwenden, der eine Art Bundeszwang erlaubt. Stattdessen wurden und werden rechtsstaatlich bedenkliche Maßnahmen der Repression gegen Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens beziehungsweise der Abhaltung eines Referendums ergriffen.

1. Oktober 2017

Haltet den Dieb

Putzmunter startet die abgewählte Regierungspartei in die Opposition. Jetzt werde es "auf die Fresse" geben, verkündet die neue Fraktionsvorsitzende Nahles.
Und es wird darüber diskutiert, ob man denn nun so eine ungehobelte und aggressive Sprache in der Politik verwenden dürfe.

Natürlich darf man das. Früher waren noch ganz andere Ausdrücke üblich, das galt dann als "Sternstunde des Parlamentarismus". Man darf auch ankündigen, die "Regierung jagen" zu wollen, wie AfD-Gauland das getan hat. Ebenfalls eine völlig unproblematische Formulilierung. Problematisch ist nur die Heuchelei, mit der manche die eine Äußerung akzetabel und die andere für eine Gefahr für die Demokratie halten wollen.

Aber was wollte Nahles eigentlich mit dieser plötzlichen Aggressivität ausdrücken?

Kurs auf den Eisberg. Wie sich Claus Leggewie und Daniel Cohn-Bendit die Schwampel zurechtphantasieren

Wie vom Verfasser dieser Zeilen erwartet, werden in den Medien die Trommeln für eine mögliche Schwampel-Koalition auf Bundesebene bereits kräftig gerührt. Der Cicero bildet einmal mehr die löbliche Ausnahme. In der als liberal-konservativ taxierten WELT delektiert sich hingegen Alan Posener unter Beigabe einiger Kalauer an seiner prophetischen Gabe, die soziokulturellen Grundlagen des in Aussicht genommenen Bündnisses schon vor 13 Jahren erkannt zu haben, und fordert die Protagonisten auf, nun endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Ulf Poschardt, Chefredakteur des gennanten Springer-Blattes, verkündete am 12.09.2017 noch dezidiert, Jamaika sei "nichts" und "tot", um es 17 Tage später nur noch "irre" zu finden, dass jetzt plötzlich alle das schwarz-gelb-grüne Bündnis herbeisehnen, wobei der Ton des Beitrags die Befürchtung nährt, dass sich Poschardt von der Euphorie für die offensichtliche Mésalliance anstecken lassen könnte. (Randbemerkung: Beim Anblick der im letztverlinkten Artikel enthaltenen Porträtfotos Özdemirs und Lindners musste der endunterfertigte Autor an diese Reflexion Zettels denken, die unverändert Gültigkeit besitzt.)

Die TAZ scheint vor allem zu beschäftigen, dass die Grünen vielleicht zu sehr in ihrer ressentimentgeladenen Selbstgerechtigkeit verhaftet sind, um sich mit der Union und der FDP zu vermählen, wobei die Aussage des Soziologen Armin Nassehi, die Konservativen machten alles schlimmer, falls sie nach rechts rückten, widerspruchslos zitiert wird. Anders formuliert: Eine Schwampel-Koalition ist nur denkbar und wünschenswert, wenn sie Merkels alternativlose Politik unverändert fortsetzt. Dass man zu diesem Zweck eine Crew ins Boot holen muss, deren Stallgeruch nicht in jedem Einzelfall mit dem Biomarkt-Biedermeier harmoniert, ist die ästhetische Kröte, die es dabei zu schlucken gilt.

28. September 2017

Zitat des Tages: Der Koch in Grün, der Kellner in Gelb

„Die Grünen haben ein großes, in diese Welt passendes Narrativ, die FDP hat einen begnadeten Kommunikator an der Spitze; Jamaika könnte eine grüne Richtung nehmen, aber mit Methoden, die von der FDP kommen.“

So Bernd Ulrich in seinem Kommentar „Vielleicht gar nicht so schlecht“, erschienen am 25.09.2017 auf ZEIT-Online.

Kommentar: Was der stellvertretende Chefredakteur und Ressortleiter Politik des hanseatischen Wochenmagazins in dem oben angeführten Satz zum Ausdruck bringt, ist besorgniserregend. Noch bevor die Wunden geleckt sind und die Leitmedien zu verstehen beginnen, was am Sonntag überhaupt passiert ist, wird von einer Edelfeder wie Ulrich bereits Stimmung für eine sogenannte Schwarze-Ampel-Koalition gemacht. Und dieses Jamaika-Bündnis soll freilich keinen liberalen oder konservativen oder gar liberal-konservativen Einschlag haben, nein: Vielmehr wird erwartet, dass die Partei, die nur knapp 9 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, die Rolle des Drehbuchschreibers übernimmt. Der Koch im grünen Kittel, der Kellner in gelber Livree – ließe sich der im Zitat formulierte Gedanke wohl in zugespitzte Worte fassen.

27. September 2017

Zitat des Tages: Die Zielobjekte des Antifaschisten

Kann schon sein, dass es nicht wirklich 12,6 Prozent Nazis in Deutschland gibt. Vielleicht sind es einfach nur 12,6 Prozent Menschen, die kein Problem damit haben, eine Partei zu wählen, die zum Teil aus Rechtsextremisten besteht. Aber das reicht. Es reicht, um zu sagen, dass wir 87,4 Prozent Antifaschistinnen und Antifaschisten brauchen, die sich mit einem angemessenen Betreuungsschlüssel um diejenigen kümmern, denen es nicht peinlich ist, ihre Wehrmachtsfantasien öffentlich zu äußern.

[...]

Dabei sind das Problem nicht allein die 12,6 Prozent. Genau so viel Antifa-Arbeit werden weiterhin diejenigen nötig machen, die schadenfroh erklären, die Linken und Grünen und Feministinnen seien schuld am Erfolg der Rechtspopulisten, und/oder Merkel, die nicht rechts genug gewesen sei. 

Aus dem Artikel "Antifaschismus muss jetzt Alltag werden" von Magarete Stokowski vom 26.09.2017 auf Spiegel-Online.
.

Kommentar: Ich denke es fällt jedem auf, dass sich die beiden Zitate aus dem verlinkten Artikel von Magarete Stokowski einander widersprechen. Einerseits wird jeder, der nicht für die AfD gestimmt hat, als Antifaschist vereinnahmt, andererseits sollen aber explizit auch auch große Teile eben jener 87,4 Prozent klar zu bekämpfendes Zielobjekt der Antifaschisten sein. Das passt nicht überein. Die Inkonsistenz, die in eben jenem Widerspruch steckt, ist aber nicht das entscheidende. Ich denke es ist wichtiger, sein Augenmerk auf das zweite Zitat als als solches, unabhängig vom Widerspruch zum vorherigen Anspruch 87,4 % zu vereinnahmen, zu betrachten.

Zu bekämpfendes Zielobjekt der Antifaschisten sind nicht nur Faschisten oder willige Steigbügelhalter des Faschismus, selbst dann, wenn man diesen Vorwurf auf alle ausdehnt, die in der AfD Mitglied sind oder sie gewählt haben.

Zu bekämpfendes Ziel ist vielmehr explizit jeder, der (egal wie sehr sich derjenige von Rechtsextremen und denen, die mit ihnen zusammenarbeiten, distanzieren mag) das progressive Erfolgsrezept zur Eindämmung der AfD nicht mit trägt. Ich glaube, dies erfüllt ziemlich gut die Definition von Extremismus.


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Techniknörgler

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26. September 2017

Petry Heil oder die Geister, die ich rief

Eins muss man Frau Petry lassen: Sie hatte gestern garantiert ihre 15 minutes of fame. Es am Tag nach einer Bundestagswahl, noch dazu mit derart überraschendem Ergebnis, zu schaffen die Schlagzeilen zu beherschen ist eine Leistung. Dazu muss man schon ganz schön auf die Pauke hauen. Und die Pauke hat ordentlich gescheppert, wenn man sich die verdatterten (und durch und durch unprofessionellen) Reaktionen ihrer Parteikollegen so ansieht.

25. September 2017

Und sie verstehen es doch nicht: Gesetzte Gedanken zur gestrigen Wahl

Wer gestern Abend - so wie der Verfasser dieser Zeilen - die Wahlberichterstattung im Ersten verfolgte, konnte den Eindruck gewinnen, dass die AfD einen Erdrutschsieg errungen hatte, der es den anderen Parteien verunmöglichte, gegen Gauland und Co. eine Regierung zu bilden. Wohlgemerkt: Die AfD ist die Gewinnerin des gestrigen Tages. Sie hat ihr Resultat von 2013 nahezu verdreifacht und zieht hinter den einstigen Volksparteien als drittstärkste Kraft in den Deutschen Bundestag ein. Doch die 12,6 Prozent, die sie laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis geholt hat, sind so überraschend nun nicht, wurde die vor vier Jahren aus der Taufe gehobene Gruppierung doch in den letzten Umfragen der Meinungsforschungsinstititute auf 10 bis 13 Prozent taxiert.

Bei all der Hysterie um den Einzug der AfD in das föderale Parlament wurde vergessen und von den Verlierern der Abstimmung wohl auch gerne übergangen, was das eigentlich Bedeutsame an der gestrigen Entscheidung über die Besetzung der Volksvertretung war: Die Union und die SPD stürzten in der Gunst der Votanten so weit ab, dass sich auch der endunterftigte Blogger zu historischen Vergleichen hinreißen ließ. Die einstmals Konservativen schnitten seit Bestehen der Bundesrepublik nur anno 1949 schlechter ab. Die SPD wurde unter der Herrschaft des Grundgesetzes noch nie mit so viel Abneigung bestraft wie am 24. September 2017.

Ein interessantes Ergebnis. Nebst einer Bemerkung zu Denkzetteln.

­Es ist ein interessantes Ergebnis, fürwahr, deutlich interessanter als der Wahlkampf selber, der wohl als einer der ödesten der letzten 30 Jahre erinnert werden dürfte. Dabei überrascht nicht unbedingt das Ergebnis der AfD, wenn man den typisches Demoskopen-Malus abzieht, entspricht es recht gut den Erwartungen (der ZkZ-Ted hatte 12 Prozent vorhergesagt).

Und nun?

Die ersten Nachwahlhochrechnungen sind verfügbar und werden mit jeder Stunde präziser und bald  werden auch die ersten verläufigen Ergebnisse durch den Bundeswahlleiter veröffentlicht werden (das heißt, sobald Berlin seine Computerprobleme in den Griff bekommt und seine vorläufigen Ergebnisse übermitteln kann).

Die Wahl ist also gelaufen. Und nun?

­
Vielleicht trübt mich mein Gedächtnis. Ich meine aber nach den letzten Bundestagswahlen gab es immer sehr schnell ausführliche Artikel über die möglichen mehrheitsfähigen Koalitionen und recht präzise Einschätzungen welche Koalition nun tatsächlich kommen wird. Im Groben und Ganzen wusste jeder wie es weiter ging oder zumindest realistisch ohne großes Kopf zerbrechen weiter gehen könnte.

Es scheint, als wolle es niemand allzu laut aussprechen bzw. ausschreiben. Aber es fällt in den Onlinemedien von FAZ über Welt bis SPON deutlich die Abwesenheit eines Verlaufplanes auf. Es gibt in Deutschland einfach noch kein Protokoll für eine Situation, in der die einzige Mehrheitskoalition, die noch nicht explizit ausgeschlossen wurde, aus mindestens 4 (in Worten: Vier!) verschiedenen Parteien besteht.

Das Merkel "die Wahl gewinnt", zumindest im dem Sinne, dass sie noch einmal vom deutschen Bundestag zur Kanzlerin gewählt wird, war schon vor der Wahl so klar, das eine Wahrscheinlichkeit von 98% tatsächlich keine Übertreibung war (im Gegensatz zur voreiligen Krönung Hillary Clintons durch die Huffington Post). Folgerichtig ist die relative Mehrheit für die Union keine Nachricht. Das CDU und CSU ihr in Umfragen prognostiziertes Potential deutlich unterboten haben, das ist eine Nachricht. Und es scheint als habe niemand wirklich einen Plan, wie es nun weiter gehen soll. 


Techniknörgler

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24. September 2017

Die Denkzettelwahl. Ein Kurzkommentar

Und es wurde doch eine Denkzettelwahl. Aber nicht deshalb, weil die AfD über 13 Prozent der Stimmen geholt hat, sondern weil die Union mit etwa 33 Prozent auf das schlechteste Ergebnis nach 1949 abgestürzt ist und die SPD mit knapp 21 Prozent ihr schwächstes Resultat seit Bestehen der Bundesrepublik erzielt hat. Die kleinen Parteien haben an Zuspruch gewonnen - die Linke und die Grünen nur geringfügig, die FDP um circa 5,5 und die AfD um rund 8,5 Prozentpunkte. Die Gruppierung um Alexander Gauland ist der Gewinner dieses Abends.

Dieser Ausgang des Votums ist der Anfang vom Ende der Ära Merkel. Die SPD hat schon angekündigt, in die Opposition gehen zu wollen. Politisch und rechnerisch möglich ist demzufolge nur noch die sogenannte Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen. Deutschland wird, was die Zersplitterung des Parlaments angeht, ein ganz normales europäisches Land des 21. Jahrhunderts - mit zwei Volksparteien, die diesen Namen nicht mehr verdienen, sondern nur noch Mittelmächte darstellen.

Noricus

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23. September 2017

Der letzte Blick in die Kristallkugel: Wie geht die Bundestagswahl aus?

Wenn man auf die letzten Prognosen der großen Meinungsforschungsinstitute (zum Ergebnis der jüngsten Umfrage von YouGov geht es hier) vertraut, so gestalten sich die Schwankungsbreiten bei den Resultaten der Parteien, die eine realistische Chance auf den Einzug in den Bundestag haben, wie folgt:

Union    34 bis 37 %
SPD      20 bis 23 %
AfD       10 bis 13 %
FDP       9 bis 11 % 
Linke     8,5 bis 10 %
Grüne    7 bis 8 %

21. September 2017

秋歌之。Qiūzhī gē, Das Lied vom Herbst

Zwar steht der astronomische Herbstanfang, der sich der genauen Ausrichtung des Erdäquators aufs Zentralgestirn verdankt, strenggnommen erst am morgigen Tag ins Haus, doch sei die Gelegenheit hiermit beim Schopf genommen, einige Verse zu zitieren, die sicher zu den berühmtesten der deutschsprachigen Literatur zählen: Rainer Maria Rilkes "Herbsttag", heute vor genau 115 Jahren in Paris niedergeschrieben während seiner Zeit als Sekretär Rodins und genau zehn Tage nach der Entstehung seines anderen bekannten Gedichts zum gleichen Thema, "Herbst" ("Die Blätter fallen, fallen wie von fern / als welkten in den Himmeln ferne Gärten...") und im gleichen Jahr in der ersten Fassung des Buchs der Bilder veröffentlicht.

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

17. September 2017

Streiflicht: Ein aufgebauschtes Problem

­
Auch dieser Tage wollte dieser Autor wieder ein paar Artikel zum Thema Dämlichkeit von Wahlplakaten verfassen, und als Basis dieser Artikel  sollten wieder mal ein paar schöne Fotos aus der einen oder anderen deutschen Innenstadt dienen.
Doch neben den üblichen Plattitüden ist etwas anderes vielleicht ganz bedenkenswert, dass nicht direkt ins Auge fällt. Denn im Unterschied zur Landtagswahl finden sich bei dieser Wahl durchaus Plakate einer Partei, die zur Landtagswahl praktisch gar nicht plakatiert hat. Allerdings sind die Plakate dann doch nicht so ganz gewöhnlich: Sie waren nahezu alle zerstört.


16. September 2017

Die Mehltau-Kanzlerin und die verdrossene Republik

Die Bundestagswahl steht vor der Tür, und in einigen deutschen Medien regt sich so etwas wie Unmut über die amtierende und wohl auch zukünftige Bundeskanzlerin. Wenn Alexander Kissler auf cicero.de davon spricht, dass
das Regieren der späten Merkel [...] die Vernunft [...] aus dem Debattenfeld gestoßen
habe, politische Sachfragen "ins Moralische" gezogen und Kritiker zu Misanthropen gestempelt würden, so mag das noch wenig verwundern, ist doch jede an die Regierungschefin adressierte Verneigung des nach dem berühmten römischen Redner benannten Magazins durch einen gewaltigen Hexenschuss entwertet.

14. September 2017

Die sieben Krim-Lügen

Nicht nur wegen der bevorstehenden Bundestagswahl kommt immer wieder das Krim-Thema hoch.
Und dazu kann man ja auch interessante Fragen diskutieren. Soll man nun die Sanktionen verschärfen oder lockern? Gibt es weitere Maßnahmen, mit denen der Westen auf Putins Eroberungspolitik reagieren kann? Welche weiteren Gesprächsangebote sollte man Rußland machen? Wie kann man die Verteidigungskapazitäten der NATO erhöhen? Und noch vieles mehr ...

Aber was man nicht mehr sollte: In den Diskussionen auf die verschiedenen Lügen einzugehen, mit denen Putins Unterstützer agieren und die immer wieder gebracht werden, um von den eigentlichen Themen abzulenken.
Daher nun einmal die Hitliste der sieben wesentlichen Propagandalügen zum Krim-Konflikt, damit diese ein für allemal erledigt sind.

12. September 2017

Ein bisschen Polit-Esoterik: Zum tieferen Sinn in Jens Spahns Äußerung über englisch sprechende Kellner

Der Verfasser dieser Zeilen dachte ursprünglich, zu Jens Spahns Äußerung über englisch sprechendes Gastronomiepersonal in Berlin nichts schreiben zu müssen. Denn augenscheinlich war die öffentlichkeitswirksame Indignation des Parlamentarischen Staatssekretärs nur der Aufhänger dafür, eine in der CDU einstmals allgemein geteilte, nach zwölf Jahren Merkel-Kanzlerschaft jedoch als beschämend konservativ geltende Ansicht über den kulturellen Wandel und das dagegen bestehende Sicherheitsbedürfnis des einfachen Mannes in einem durch und durch fadisierenden Wahlkampf zu platzieren. Vom politischen Kalkül her erinnerte das alles ein bisschen an Wolfgang Thierses Schrippen-Kampanilismus.

Doch man kann der Äußerung des Schäuble-Adlatus freilich auch einen über das Erzielen von Publicity-Punkten hinausreichenden Zweck zubilligen. So meint Andrea Hanna Hünniger auf ZEIT-Online, Spahn wolle sich mithilfe seiner Attacke auf die alloglotte Hipster-Community ein neues Feindbild dienstbar machen. Dies habe etwas mit einem „Rechtsruck“ zu tun, dessen „Schwellenhüter […] die Konservativen“ seien. Sobald sich diese einer Koalition mit den Unsäglichen öffneten, werde „der Ultranationalismus mehrheitsfähig“. Im Fall des 37-jährigen Unionsmannes stellt die Autorin „kontrafaktisch“ die Frage, ob dieser nicht den Pakt mit dem ideologischen Teufel einginge, wenn im Gegenzug dafür das weiche Polster des Regierungschefsessels winkte.

11. September 2017

Never forget.

 
­
U.E.

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.

10. September 2017

Zitat des Tages: Flagge zeigen!

Merkel berichtete, ihr begegneten auf Wahlveranstaltungen viele „von der AfD und der NPD, einfach mit dem Ziel, andere Menschen beim Zuhören zu stören“. Man könne unterschiedlicher Meinung sein. „Aber sich nur hinstellen und schreien, das finde ich, ist zu wenig.“ Tauber sagte: „Aber das halten wir aus. Wir weichen nicht, das sind wir unseren Anhängern schuldig.“ Die Zahl der Interessierten sei viel höher als die der „Schreihälse“ – auch im Osten.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) verurteilte die Störaktionen bei Merkels Veranstaltungen. Es sei wichtig, dass Politiker die Möglichkeit hätten, auf Kundgebungen für ihre Politik zu werben, sagte sie in Rostock. „Da darf man friedlich protestieren. Aber was nicht geht, ist diese Grenzüberschreitung, die Krawallmacherei.“
Aus dem Artikel "Politik muss Flagge zeigen zeigen" (Stand 10.09.2017) auf faz.net. 
Kommentar: Das Unterbrechen und Stören von Veranstaltungen und insbesondere das Bewerfen mit Lebensmitteln, seien es Obst und Gemüße, seien es Torten (auch und gerade tiefgefroren), ist absolut inakzeptabel und richtet sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, egal mit welchen pseudointellektuellen Ausreden sie daherkommen oder wie sehr der Angegriffene oder die andere Extreme angeblich schlimmer sei als man selber. Denn letzteres sind nur die Ausreden, mit denen Antidemokraten und Extremisten ihre Aushebelung demokratischer Grundnormen, die sich früher oder später eben nicht mehr nur gegen die angeblich größere Gefahr richten, propagandistisch rechtfertigen. Das ist demokratischer Grundkonsens.
Entsprechend ist es richtig, dass Politiker sowohl der CDU als auch der SPD und insbesondere unsere Bundeskanzlerin klar Stellung gegen das Bewerfen mit Lebensmitteln beziehen, sobald sie selber betroffen sind. Jeder sollte gegen solche Störaktionen Stellung beziehen, sobald es ihn oder sie selber trifft. 

Techniknörgler

© Techniknörgler. Für Kommentare bitte hier klicken.

8. September 2017

Das Kreuz mit dem Kreuz: Noch einmal die FDP wagen?

Die Wahlkabine ist der Darkroom der Demokratie. Hinter dem für Diskretion sorgenden Vorhang kann der Souverän – ohne Überwachung durch offiziös bestallte Sozialkontrolleure – seinen gewohnheitsmäßigen ideologischen Passionen nachgehen oder einfach mal eine Schweinerei ausprobieren, für die man ihm, wenn sie ruchbar würde, gehörig auf die Finger klopfen würde.

Wenn der Verfasser dieser Zeilen aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, so muss er bekennen, dass er hinsichtlich der anstehenden Bundestagswahl große Lust verspürt, für den Protest zu stimmen. Dann wähl sie doch? Nein. Denn der endunterfertigte Autor liebäugelt in den kühneren seiner staatsbürgerlichen Phantasien damit, seinen Unmut dadurch auf das großformatige Papier zu bringen, indem er die Bayernpartei wählt.

7. September 2017

Warum lasst ihr sie nicht reden?

Lass die Leute reden, denn wie das immer ist: 
Solang die Leute reden, machen sie nichts Schlimmeres 
Und ein wenig Heuchelei kannst du dir durchaus leisten 
Bleib höflich und sag nichts - das ärgert sie am meisten
(Die Ärzte: "Lasse reden", 2007)

Ich wollte eigentlich gar nix zum "Schnittchen"-Eklat in der selbst für den momentanen Zustand der Diskussionsunkultur unterirdischen Politblubberrunde "Wie geht's Deutschland" schreiben, obwohl ich sie zufällig sogar live gesehen habe (mein Masochismus scheint tatsächlich gar keine Grenzen zu haben...).

Was mich dann doch dazu veranlasst hat, ist ein ganz anderes Ereignis - nämlich die Abschaltung meines liebsten Feindes in der Blogosphäre - des Honigmanns. Dieser Blog hatte für mich immer eine karthatische Funktion - egal was ich mir im Alltag, im Fernsehen, im Netz an kapitalem Schwachsinn anhören musste - zwei, drei Seiten Honigmann haben das wieder zurechtgerückt. Mir sind zwar die genauen Hintergründe nicht bekannt - macht Wordpress ebenfalls eine "Netzwerkdurchsetzung"? Da das Blog ja von mehreren Autoren betrieben wird, ist mir nicht mal klar, ob ihn die niedersächsische Justiz gerade eingekastelt hat oder nicht. Aber egal, der Honigmann ist offline, und das finde ich schade. Denn dieser Typ disqualifiziert sich einfach am erfolgreichsten durch seine 10.000 Beiträge, die jetzt nur noch mühsam mittels Waybackmachine zu finden sind. Und das wirft - genau wie der Verlauf dieser Talkrunde natürlich grundsätzliche Fragen auf.