3. April 2017

Montag, d. 3. April 2017. "Im Dar al-Harb nichts Neues"







In Sankt Petersburg sind heute um die Mittagszeit durch einen terroristischen Anschlag mit einer Nagelbombe in der U-Bahn elf Menschen getötet und mindestens 47 verletzt worden. Das Bild einer Überwachungskamera zeigt den mutmaßlichen Täter.

(Bildquelle: Thomas Kindler)

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Russland ist in den vergangenen Jahren immer wieder von Terroranschlägen erschüttert worden. Im Folgenden die schwersten Anschläge der vergangenen 20 Jahre:

- 24. Januar 2011: Bei einem Bombenanschlag auf den Moskauer Flughafen Domodedowo werden 35 Menschen getötet und weitere 110 verletzt.

- 19. Oktober 2010: Drei Selbstmordattentäter reißen in einem Gebäude des tschetschenischen Regionalparlaments sechs Menschen mit in den Tod. Bei dem Bombenanschlag werden 17 weitere Menschen verletzt.

- 29. März 2010: Zwei Selbstmordattentäterinnen sprengen sich im morgendlichen Berufsverkehr in Moskauer U-Bahnen in die Luft. Bei dem Doppelanschlag werden insgesamt 40 Menschen getötet und über 100 weitere verletzt. Eine tschetschenische Rebellengruppe bekennt sich zu der Tat.

- 27. November 2009: Bei einem Bombenanschlag tschetschenischer Rebellen auf einen Schnellzug zwischen Moskau und St. Petersburg werden 28 Menschen getötet und fast 100 weitere verletzt.

- 17. August 2009: In der Stadt Nasran in der russischen Teilrepublik Inguschetien steuert ein Selbstmordattentäter einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in eine Polizeiwache. Dabei werden 25 Menschen getötet und über 160 weitere verletzt. Eine tschetschenische Rebellengruppe bekennt sich zu dem Anschlag.

- 6. November 2008: Ein Selbstmordattentäter tötet bei einem Anschlag auf einen Bus in der russischen Teilrepublik Nordossetien zwölf Menschen.

- 13. Oktober 2005: Bei einer Serie von Angriffen islamischer Extremisten auf die Polizei in der russischen Teilrepublik Kabardino-Balkarien werden 139 Menschen getötet, darunter 94 Aufständische.

- 1. September 2004: Tschetschenische Rebellen besetzen eine Schule in der Stadt Beslan und nehmen Hunderte Geiseln. Bei der missglückten Erstürmung der Schule zwei Tage später kommen über 330 Menschen ums Leben.

- 31. August 2004: Eine Selbstmordattentäterin sprengt sich in einer Moskauer U-Bahn-Station in die Luft. Zehn Menschen kommen dabei ums Leben, über 50 weitere werden verletzt. Zu dem Anschlag bekennen sich die Islambuli-Brigaden des Terrornetzwerks Al-Kaida.

- 24. August 2004: Bei Selbstmordanschlägen auf zwei vom Moskauer Flughafen Domodedowo gestarteten Flugzeugen werden alle 90 Passagiere getötet.

- 9. Mai 2004: Bei einem Bombenanschlag auf eine Kundgebung in der tschetschenischen Stadt Grosny werden 24 Menschen getötet. Unter den Opfern ist auch der damalige tschetschenische Präsident Achmad Kadyrow.

- 6. Februar 2004: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Wagen der Moskauer U-Bahn werden 41 Fahrgäste getötet und mehr als 100 weitere verletzt.

- 21./22. Juni 2004: Islamische Extremisten greifen Polizeiwachen und Regierungsgebäude in der Stadt Nasran in der russischen Teilrepublik Inguschetien an und töten dabei mehr als 90 Menschen. Über 100 weitere werden bei den Kämpfen verletzt.

- 5. Dezember 2003: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Pendlerzug in Südrussland werden zwei Tage vor der Parlamentswahl 44 Menschen getötet.

- 1. August 2003: Ein Selbstmordattentäter steuert einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in ein Militärkrankenhaus in der Nähe von Tschetschenien und reißt 50 Menschen mit in den Tod.

- 5. Juli 2003: Zwei mutmaßliche tschetschenische Rebellinnen sprengen sich auf einem Rockfestival in Moskau in die Luft und reißen 15 Menschen mit in den Tod. 60 weitere Konzertbesucher werden verletzt.

- 5. Juni 2003: Selbstmordattentäterinnen greifen einen Bus an, der Soldaten und Zivilpersonen zu einem Militärflughafen in der Nähe von Tschetschenien bringt, und töten dabei mindestens 16 Menschen.

- 12. Mai 2003: Bei einem Selbstmordanschlag auf ein Regierungsgelände im Norden Tschetscheniens werden mindestens 60 Menschen getötet.

- 27. Dezember 2002: Bei einem Selbstmordanschlag auf den Sitz der tschetschenischen Regierung in Grosny werden 72 Menschen getötet.

- 23. Oktober 2002: Tschetschenische Rebellen besetzen ein Musical-Theater in Moskau und nehmen 800 Geiseln. Russische Spezialkräfte stürmen zwei Tage später das Gebäude und erschießen 41 Geiselnehmer. 129 Geiseln werden getötet: zwei durch Schüsse, die übrigen durch das Narkosegas der Sicherheitskräfte.

- August 1999: Bei vier Bombenanschlägen auf Wohngebäude in verschiedenen russischen Städten werden rund 300 Menschen getötet. Nach Angaben des Kremls sind die Anschläge der Grund für den Einmarsch russischer Truppen in Tschetschenien am 30. September 1999.

- 9. Januar 1996: Tschetschenische Rebellen überfallen ein Krankenhaus in der Stadt Kisljar und nehmen 3.000 Geiseln. Bei dem Angriff werden mindestens 40 Menschen getötet.

- 14. Juni 1995: Tschetschenische Rebellen überfallen ein Krankenhaus in der Stadt Budjonnowsk und nehmen über 1.000 Geiseln. Die Aufständischen töten rund 100 Menschen, Dutzende weitere kommen bei der missglückten Stürmung der Klinik durch russische Soldaten ums Leben. Weitere 400 Menschen werden während der Geiselnahme verletzt.

(Quelle: http://www.rp-online.de/politik/ausland/anschlaege-in-russland-eine-chronologie-bid-1.1987347)

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Vor zwölf Tagen, beim letzten großen islamistischen Terroranschlag in einer europäischen Metropole vor dem englischen Parlament in London mit vier Todesopfern und 46 Verletzten, wurde Londons Bürgermeister Sadiq Khan vielerorts mit einem Satz aus einem Interview vom vergangenen September zitiert:  "Sadiq Khan has said he believes the threat of terror attacks are “part and parcel of living in a big city” and encouraged Londoners to be vigilant to combat dangers." (Independent, 22. September 2016). Daß das Londoner Attentat noch schneller aus dem Aufmerksamkeitsfokus von Medien und Öffentlichkeit gerückt ist als der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz am 19. Dezember, wirkt nur wie eine Bestätigung der bitteren, aber wohl unausweichlichen Erkenntnis: Ja - wir gewöhnen uns daran. Nein: wir weigern uns, den Opfern Namen und Gesicht zu geben. Sie waren, so muß es scheinen, nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Unser Widerstand gegen Massenmord in unseren Ländern, unseren Städten, in Namen einer totalitären Ideologie im Gewand einer Religion, besteht darin, uns die Feierlaune nicht verderben zu lassen, um "dem Terroristen nicht zu gönnen, was sie von uns erwarten." Und darin, so hilflos wie kitschig einige Monumente in unseren Hauptstädten in der folgenden Nacht mit bunten Lichtern anzustrahlen.

Zumindest auf die letzte Geste wird man dieses Mal in der buntesten Bunteshauptstadt der buntesten Republik verzichten - mit einer Begründung, der zwar, überaus passend, jeglicher Respekt vor den "Jetzt-nicht-mehr-hier-Seienden" abgeht, der man aber eine gewisse zynische Originalität nicht absprechen kann:

+++ Brandenburger Tor ohne die Farben Russlands +++
Nach dem Anschlag in der U-Bahn von St. Petersburg sollte das Brandenburger Tor am Montagabend nicht in den russischen Nationalfarben angestrahlt werden. Das sagte ein Senatssprecher der Deutschen Presse-Agentur. St. Petersburg sei keine Partnerstadt von Berlin, hieß es zur Begründung. Davon solle nur in Ausnahmefällen abgewichen werden. Nach Anschlägen wie etwa in Paris, Brüssel, London, Istanbul (Partnerstädte von Berlin), Nizza und Jerusalem war das Berliner Wahrzeichen in Solidarität mit den Betroffenen in den Nationalfarben der jeweiligen Länder angestrahlt worden. Nach dem Massaker eines islamistischen Attentäters in einem Schwulen-Club in Orlando in Florida mit rund 50 Toten im vergangenen Sommer war das Brandenburger Tor in die Regenbogenfarben der Schwulenbewegung getaucht. (Handelsblatt)
Nachtrag 22 Uhr 55:

Paul Joseph Watson
@PrisonPlanet
No major monuments in Europe lit up tonight.
Are victims of terror less important if they're Russian?
:https://twitter.com/PrisonPlanet/status/848975912846622720


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Покойся с миром.

U.E.

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.