2. August 2017

Aus der Schwalbenperspektive (12): Schämt euch, ihr Türken!

Über den Unterschied zwischen Frauenfußball und Fußball hat sich der Kollege Noricus ja schon eingehend geäußert. Ich stimme ihm zwar nicht darin zu, dass man sich auf den Frauenfußball in den nächsten Jahren freuen kann, aber das ist ja im Grund genommen auch egal.

Im Gegensatz zu Sportarten wie Tennis, Biathlon, Schwimmen, Ski alpin oder - mit Abstrichen - Leichtathletik, wo die öffentliche Aufmerksamkeit trotz ebenso erheblicher Leistungsunterschiede annähernd gleich  zwischen männlichen und weiblichen Athleten verteilt ist, wird dem Frauenfußball immer ein sportliches Attraktivitätsdefizit bleiben. Denn wir als Zuschauer haben uns an ein hochathletisches, physisch dominiertes Spiel gewöhnt, und zwar - von der gesamten Mannschaft!

Die Einzelsportarten wie die vorangenannten (das gilt besonders für das Tennis) beziehen bei den Frauen ihre Spannung weniger aus der allgemein geringeren Athletik, sondern aus der Persönlichkeit und dem Charisma der einzelnen Athletin: Eine Begegnung der teutonischen Kampfmaschine Graf mit der wusligen Spanierin Sanchez-Vicario oder dem argentinischen Temperamentsbündel Sabatini ließ den Gedanken, dass keine von den beiden gegen irgendeinen Mann aus den ATP-Top 200 gewinnen könnte, erst gar nicht aufkommen.

Dagegen ist ein Frauenfußballturnier ein zutiefst unerquickliches Ereignis, wie gesagt, wenn man es aus rein sportlichen Gesichtspunkten betrachtet. Erst recht nix gibt es aus der Schwalbenperspektive her, denn - wie gewisse Apologeten nimmermüde behaupten und eine dem Schellnhuber-Institut benachbarte Forschungseinrichtung festgestellt hat: Frauen spielen fairer und stehen nach einer Unterbrechung schneller wieder auf. 

Die Höchststrafe aber ist, wieder ein Frauenfußballturnier ohne die sachkundige Begleitung von Deniz Yücel zu erleben. Der Mann hat es nämlich 2011 (Trikottausch) geschafft, durch seine Kolumnen ein Hintergrunduniversum für ein völlig fades Event zu erschaffen. Eine unvergleichliche Mischung aus Bildzeitungs-Diktion ("Mexi-Schiri-Mieze"), Machismo ("Schämt euch, Ihr Schlampen"), Feminismusparodie ("dieses maskulin-archaische Auslese-Prinzip 'Turnier' ") und politischer Unkorrektheit ("So leicht hatten WIR es seit der WM 1939 in Polen nicht mehr.") - ausgerechnet in der taz, die ihm in Person von Ines Pohl gegen interne und externe Kritik die Stange gehalten hat. 

Ich werfe nicht gern mit Superlativen um mich, aber ich halte diese Kolumne für das großartigste Satirewerk, das je in einer deutschen Zeitung erschienen ist. Weil es eine 360-Grad-Parodie ist. Denn sie parodiert nicht nur den Sport und das Turnier, sondern auch sämtliche "ernsthaften" Diskussionen, und zwar jeweils in alle Richtungen. Denn was nach Friedrichs' Diktum für den Journalismus gilt, gilt um so mehr für Satire: Sie darf sich mit keiner Sache gemein machen. Und je mehr über das Stöckchen springen, um so besser!

Nicht nur, aber auch deshalb: SCHÄMT EUCH, IHR TÜRKEN! FREE DENIZ!  


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Meister Petz

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