26. September 2017

Petry Heil oder die Geister, die ich rief

Eins muss man Frau Petry lassen: Sie hatte gestern garantiert ihre 15 minutes of fame. Es am Tag nach einer Bundestagswahl, noch dazu mit derart überraschendem Ergebnis, zu schaffen die Schlagzeilen zu beherschen ist eine Leistung. Dazu muss man schon ganz schön auf die Pauke hauen. Und die Pauke hat ordentlich gescheppert, wenn man sich die verdatterten (und durch und durch unprofessionellen) Reaktionen ihrer Parteikollegen so ansieht.


Dabei hätte es eigentlich(!) für AfD-Insider nicht wirklich eine Überraschung sein dürfen. Eine Parteichefin, die Monate lang nicht mehr mit ihren Spitzenkandidaten redet, sie öffentlich kritisiert, dazu noch ein Landesverband der seine kleinen Intrigen schmiedet, und das sind nur die Dinge, die öffentlich bekannt wurden. Wieviel da noch unter der Oberfläche gelaufen sein dürfte, kann man sich je nach Phantasie gut vorstellen. Die Reaktionen der anderen "Parteispitzen" spricht Bände.

Und so hat Frau Petry in einem letzten Aufbäumen noch einmal ordentlich ausgeteilt. Mancher fühlte sich an eine andere Pressekonferenz erinnert. Nur hat genau diese Parallele auch so ihre Tücken: Für TicTacToe war mit der Pressekonferenz die Karriere beendet (mit ein paar kleinen Hustern in den folgenden Jahren). Für Frauke Petry wird mit aller Sicherheit der Zauber jetzt auch ein Ende haben. In der AfD kann sie keine Zukunft mehr haben und ob sie, obschon sie dieses Mal auf einem Direktmandat sitzt, dieses ohne Partei noch einmal holen kann, darf zurecht bezweifelt werden. Es wäre vielleicht(?) etwas anderes gewesen Gauland öffentlich zu beschimpfen, aber das Verweigern der Fraktion ist ein Affront gegen die ganze Partei. Man kann nur davon ausgehen, dass Petry sich durchaus bewusst war, dass sie ohnehin nichts mehr verlieren konnte. Da will man (oder auch Frau) noch einmal Wirkung spüren. Das dürfte gelungen sein.

Ganz ähnlich erging es ihrem Vorgänger: Auch Bernd Lucke versuchte am Ende noch einmal laut auf die Pauke zu hauen und versuchte die Partei zu spalten. Das Ergebnis ist bekannt. Überhaupt weisen die beiden erstaunlich viele Gemeinsamkeiten auf. Das Rausmobben wurde monatelang akribisch vorbereitet, es kam zum lauten Knall, und beide konnten es am Ende nicht ertragen ins zweite Glied zu rutschen. Denn Lucke wie Petry haben auch hier eins gemeinsam: Die völkischen Umtriebe in der AfD wurden erst dann zum Problem, wenn man selber von diesen verdrängt wurde. Lucke war sich durchaus bewusst, was sich da in einigen Landesverbänden tat. Zum Problem wurde es, als er entmachtet wurde. Auch Petry hat kein Problem mit diesen Verbänden gehabt: So lange diese für sie nützlich waren. So kann man durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass die Problembeschreibungen von Petry und Lucke durchaus nicht falsch waren, aber es doch etwas inkonsequent ist, diese Probleme erst dann zu thematisieren, nachdem man sich der Verursacher nicht mehr bedienen konnte.
Am Ende muss man auch sagen: Beide sind in ihrer Form Sissis. Wer nicht kämpft darf sich auch nicht wundern, wenn er nicht gewinnt. Und zum Kämpfen gehört eben auch, dass man mal eine Schlacht verliert. Wer eine Schlacht verliert und dann die Waffen streckt um noch ein letztes Mal richtig Wirkung zu spüren, mag seinem persönlichen Ego nutzen, aber den Krieg wird man so nicht gewinnen. Womit nicht gesagt ist, dass die Gründe von Lucke und Petry nicht durchaus sachlich begründet und nachvollziehbar sind.

Für die AfD wird das Ganze am Ende auch deutlichen Schaden bedeuten. Nicht weil es unprofessionell wirkt (was es tut) oder ungeschlossen (auch der Fall). Das sind aber am Ende verzeihliche Dinge. Die Grünen haben in ihrer Anfangszeit noch ganz andere Stunts gedreht, das ist nicht wirklich dramatisch. Nein, was verheerender ist, ist etwas ganz anderes, was auch schon nach Essen deutlich wurde: Die AfD bewegt sich wieder nach rechts. Ob man Petry mag oder nicht, oder sie auch für eine opportunistische Intrigantin hält, sie war ein Pfeiler, der die AfD im konservativen Spektrum gehalten hat. Und davon gibt es jetzt wieder einen weniger.
Und auch wenn die "Deutschland-Erwache" Fraktion innerhalb der AfD das nicht versteht: Die 13% kommen nicht samt und sonders aus diesem Spektrum. Die Million Wähler, die von CDU und SPD kommen, sind nicht gekommen, weil "Deutschland erwachen" soll. Oder jemand sein Volk zurück holen will. Sie sind gekommen, weil sie mit der aktuellen(!) Politik der grossen Parteien nicht klar kommen. Und das ist eine Überwindung. Die meisten dieser Leute werden eben keine stramm-rechts Partei wählen, wie die Medien sie permanent versuchen zu zeichnen. Wenn die AfD erfolgreich sein will, dann braucht sie Leute wie Frauke Petry. Sonst passiert genau das, was nach Essen passiert ist: Ein ungebremster Absturz. Was sicher in einer Situation, in der Neuwahlen in der Luft liegen, maximal unglücklich ist.

Aber irgendwie habe ich die Vermutung, dass ist bei der AfD noch nicht so recht angekommen, denn dort herschte gestern immer noch eine Mischung aus Euphorie über das Wahlergebnis zum einen und gekränkter Eitelkeit zum anderen. Wieviel professioneller wäre es gewesen, wenn ein Alexander Gauland in Reaktion gesagt hätte: Okay, das ist jetzt unerwartet, aber das werden wir intern klären. Und es dann geklärt hätte. Man hätte in zwei Tagen gemeinsam vor die Kameras treten können, sich entschuldigen und verkünden, dass man die Probleme geklärt habe und den Auftrag des Wählers für wichtiger halte als die persönliche Eitelkeit. Wie unglaublich schlecht dagegen die tatsächliche Reaktion von Alice Weidel, die von kaum zu überbietender Verantwortungslosigkeit schwadroniert und mit der ewig dummen Keule des Parteiaustritts kommt. Sowas dummes. Ganz simpel. Es dient rein dazu, die eigenen Reihen zu schliessen und vergrössert den Schaden immens. Selbst wenn Petry auf ihrem Standpunkt bestanden hätte, so wäre es an den Dreien gewesen einfach mal die Klappe zu halten. Damit hätte allenfalls Petry dumm ausgesehen. Aber nein, man ist persönlich beleidigt, da muss man sich öffentlich erbrechen.

Ganz simpel, liebe AfD: So wird das nix. Auf Oppositionsbänken den radikalen Besserwisser zu geben ist ja wunderschön. Führt nur leider zu nix. Damit hat Frauke Petry absolut recht. Wer aber in Verantwortung strebt, der muss (!) dafür auch Konzessionen an die politische Realität machen. Aber dieses Kindertheater gehört sicher nicht dazu. 

Llarian

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