5. Januar 2014

Die "Explosion" der Weltbevölkerung oder warum auch diese Katastrophe wohl ausfallen wird

Früher sind Katastrophen einfach passiert. Man denke etwa an die Erdbebenkatastrophe von Lissabon im Jahre 1755, von der es heißt, Voltaire habe sich über so viel unaufgeklärten Unsinn seitens Mutter Natur über ebendiese empört. Früher sind Katastrophen einfach passiert; heute werden sie prognostiziert, ohne daß sie anschließend auch wirklich einträten, so könnte man überspitzt und verkürzt, meinen. 

Natürlich geschehen auch heute (Natur)Katastrophen. Man denke an die Tsunamikatastrophe in Südostasien 2004 oder an die in Japan 2011. Gleichwohl: die öffentlichen Diskurse sind eben oft nicht von den Katastrophen, die tatsächlich passiert sind dominiert, sondern von der Frage, wie prognostizierte, zumal "menschengemachte", Katastrophen um den Preis demutsvollen Wachstumsverzichts zu verhindern seien. Oder anders gesagt: wie man Menschen maximal vor dem Eintreten von Katastrophen ängstigen könnte, um auf diese Weise politische Positionen durchzusetzen.

Ein Beispiel hierfür ist die "Explosion" der Weltbevölkerung, die uns seit nun mehr als  30 Jahren, einschließlich katastrophaler Konsequenzen, vorhergesagt wird. Der Romanautor Dan Brown thematisiert  Überbevölkerung in "Inferno", seinem aktuellen und düsteren Bestseller, in dem ein Biochemiker durch  die Verbreitung eines gefährlichen Krankheitserregers die Menschheit dezimieren und so das Problem der Überbevölkerung "lösen" will. Was aber ist dran an der Sache mit der "Überbevölkerung"?
­Als Hoimar von Dithfurth 1985 seinen Bestseller So laßt uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen – es ist soweit, einem der großen Abgesänge auf die Menschheit, der zu einer Art Bibel (nebst lutherischer Anleihe im Titel) der damals erstarkenden Ökologiebewegung geworden ist, veröffentlicht hat, waren die katastrophalen Konsequenzen der Zunahme der Weltbevölkerung in aller Munde. Die Menschheit vermehre sich "wie Bakterien in einer Petrischale" und werde, wie diese, am Ende an den eigenen Exkrementen und Abfällen bzw. an der galoppierenden Umweltzerstörung zugrunde gehen.

Ich erinnere mich noch gut an die exponentiell ansteigende Kurve, die die Zunahme der Weltbevölkerung abbilden sollte und die sich irgendwann Mitte des 21 Jahrhunderts asymptotisch der Ordinate annäherte und, so die damals vermittelte Vorstellung, das Ende der Menschheit besiegeln würde. Ich sehe meinen damaligen Biologielehrer, es muß um 1986 gewesen sein, noch vor mir; den von ihm an die Wand -bzw. die Schiefertafel- gemalten Teufel in Form einer streng monoton steigenden Kurve hinter sich. Umweltkatstrophen, Raubbau an der Natur und Atomkriege, weil der Planet so viele Menschen schlicht nicht ernähren könne, würden uns dann den Garaus machen.

Seit gut einem Jahr gibt es mehr als sieben Milliarden Menschen auf dem Planeten. Von einer sich ankündigenden Katastrophe ist jedoch weit und breit nichts zu sehen. Diese sieben Milliarden würden alle zusammen sitzend auf der Insel Mallorca Platz finden, wie aus einem lesenswerten Interview mit dem emeritierten Bielefelder Bevölkerungsforscher Herwig Birg aus dem Jahr 2011 hervorgeht. Von "Enge" auf dem Planeten kann also überhaupt keine Rede sein. Daran ändern auch die lokal bisweilen beengten Verhältnisse in urbanen Regionen nichts.

Daß es "zu voll" werde auf der Erde, ist ein Mythos. Die Erde kann  wohl auch zehn Milliarden Menschen vertragen, unter einer Bedingung allerdings, die von der "ökologischen Fraktion" gerne verteufelt wird: Wachstum, Entwicklung und Fortschritt. Es ist gut belegt, daß lokales Bevölkerungswachstum zu Innovationen im Agrarsektor, auch in Ländern der Dritten Welt, geführt hat, die die Folgen des Bevölkerungswachstums abgemildert oder gar ausgeglichen haben.  Die Malthusianische Katastrophe, die damals gerne zitiert wurde, scheint nicht stattzufinden: Die Weltbevölkerung wächst einerseits langsamer, die landwirtschaftliche Produktivität wächst dagegen schneller, als von Malthus angenommen worden ist. Gleichwohl: Seit 1987 hat die Weltbevölkerung um zwei Milliarden Erdenbürger zugenommen. Da das  Bevölkerungswachstum schwerpunktmäßig in den Ländern der sog. Zweiten und Dritten Welt stattfindet, müßte man, den damaligen Katastrophenszenarien folgend, von zwei Milliarden Ärmster und Hungernder ausgehen, die nun zusätzlich die Welt bevölkern; massenhafte Hungersnöte sollten eigentlich die Berichterstattung in den Medien beherrschen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Seit 1990 ist die Zahl der Hungernden Menschen in der Welt  um 170 Millionen zurückgegangen. Und das bei einer im gleichen Zeitraum globalen Bevölkerungszunahme von fast zwei Milliarden Menschen!
Bleibt die Trivialität anzumerken, daß dies der Menschheit selbstverständlich nicht mit Hilfe grüner Verzichtsethik gelungen, sondern im Gegenteil gerade durch Wachstum, gesteigerte Produktivität und die viel gescholtene Globalisierung der Märkte überhaupt erst möglich geworden ist.

Das maximale jährliche Wachstum der Weltbevölkerung fand Mitte der 60er Jahre statt und betrug an seinem Höhepunkt 2,1% pro Jahr. Seitdem nimmt das Bevölkerungswachstum kontinuierlich ab und liegt bei aktuell 1,3%. Laut Wikipedia spricht man jedoch erst ab einem Wachstum von mehr als 2,5% von einer "Bevölkerungsexplosion", die zwar lokal hier und da immer wieder beobachtet werden kann, im globalen Maßstab jedoch nie tatsächlich stattgefunden hat.

Ein weiterer Faktor, der in den damaligen Projektionen offenbar keine ausreichende Rolle gespielt hat, war der Rückgang der Geburtenraten aufgrund des global deutlich zugenommenen Wohlstands. Wohlstand ist eine Art "soziologisches Verhütungsmittel", wovon die meisten Industrienationen, allen voran Deutschland und Japan, heute ein Klagelied singen können. Abgesehen davon ist ein Teil des globalen Bevölkerungswachstums auf verbesserte medizinische Versorgung (höhere Lebenserwartung sowie geringere Kindersterblichkeit) zurückzuführen und nicht etwa ausschließlich auf "ungezügelte" Fertilität; beides Effekte mithin, die zukünftig nicht unbegrenzt gesteigert werden können.

Heutige Projektionen zur globalen Bevölkerungsentwicklung gehen von einem immer langsameren Zuwachs der Weltbevölkerung bis etwa 2070 auf dann neun bis zehn Milliarden Menschen aus, gefolgt von einem kurzen Plateau und anschließender langfristiger Schrumpfung. Aktuell sind keine Hinweise zu erkennen, daß die Erde, weitere Innovationen und Fortschritt vorausgesetzt, diese zehn Milliarden Menschen nicht wird ernähren können. Die im Zusammenhang mit der Überbevölkerung ebenfalls prognostizierte Energiekrise durch den Verbrauch endlicher Ressourcen ist durch den Frackingboom  und die  von ihrer Erschöpfung noch immer weit entfernten globalen Kohlevorkommen ebenfalls bis auf weiteres abgesagt. Zur Erinnerung: Peak Oil war vom Club of Rome 1972 für die frühen 80er Jahre vorhergesagt worden; um das Jahr 2000 sollten die globalen Erdölvorkommen endgültig erschöpft sein.

Es sieht  also nicht danach aus, daß die Menschheit an ihrer eigenen Vermehrung zugrunde gehen wird. Und so ist es medial folgerichtig auch recht still geworden um die "Explosion" der Weltbevölkerung; kritische Veröffentlichungen zum Thema bleiben dagegen eine Seltenheit. In den 80er und 90er Jahren war die geschürte Angst vor der "Überbevölkerung" ein ideales Vehikel, um im Chor mit der "globalen Umweltzerstörung" den Aufstieg der Ökologiebewegung und ihres politischen Armes, der Partei Die Grünen, zu befördern. Es hat offensichtlich funktioniert; die Katastrophe hat ihre Schuldigkeit getan; sie kann abgesagt werden...

...aber freilich ist man um neue Szenarien menschenverursachter globaler Katastrophen nicht verlegen. Und ein wenig ähnelt sie ja auf den ersten Blick sogar der oben beschriebenen Kurve zur exponentiellen Bevölkerungsentwicklung: Die berühmte Hockeyschläger-Kurve, jene Leitgrafik der Apologeten einer menschengemachten Klimakatastrophe.
Andreas Döding


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